Teil 8: Zuhause ist es einfach am schönsten
Es gibt Grenzen
Zwei Auswärtsspiele hintereinander – schlimmer kann es für uns fast nicht kommen. Nachdem wir bei den Tabellenletzten in Berghofen nicht über ein Unentschieden hinausgekommen sind, mussten wir am darauffolgenden Wochenende zu den Spitzenreiterinnen nach Hauenhorst. Die bis dahin ungeschlagenen Germaninnen waren ebenfalls gegen Berghofen „ausgerutscht“, sodass wir uns durchaus Chancen ausrechneten und selbstbewusst, aber mit dem nötigen Respekt, auftreten wollten.
Doch schon in den ersten Sekunden der Partie zeigte Hauenhorst eindrucksvoll, was Selbstbewusstsein wirklich bedeutet: Sie spiegelten unsere Grundordnung nicht nur in bestimmten Mannschaftsteilen, sondern über den gesamten Platz, sodass wir unser Spiel gegen eine Manndeckung eröffnen mussten. So schafften sie es, uns weit von ihrem Tor fern zu halten. So kamen wir nicht in den für uns so wichtigen Rhythmus. In der Folge summierten sich unsere Ballverluste schon bei der Spieleröffnung und unter zunehmendem Druck sanken die Chancen auf Entlastung zusehends. Schon nach wenigen Minuten waren wir so weit zurückgezogen, dass die gegnerische Außenspielerin in aller Ruhe ihre Flanke auf dem Kopf der Toptorjägerin platzieren konnte, von wo der Ball schließlich seinen Weg ins Tor fand.
Gegen nun noch selbstbewusstere Favoritinnen wurde es natürlich nicht leichter. Wir hatten weiterhin Probleme, das aggressive, aber koordinierte Pressing der Gegnerinnen zu überspielen und mussten leidenschaftlich verteidigen, anstatt selbst anzugreifen. In der 25. Minute versetzte uns ein Sonntagsschuss aus rund 30 Metern den nächsten Schlag: Bis zum letzten Moment schien der „Komet“ bestenfalls auf dem Tornetz zu landen, senkte sich dann aber irgendwie doch genau zwischen der Hand unserer Torfrau und der Querlatte ins schwarz-rote Glück.
In Halbzeit zwei sollte es nicht besser laufen. Wir nahmen in der Pause zwar ein paar taktische Veränderungen vor, um zumindest in der Spieleröffnung situativ Überzahl herstellen zu können, doch wirklich ins Spiel kamen wir auch dadurch nicht. Zu groß war der Rückstand gegen einen bestens aufgelegten Gegner, der noch zwei weitere Kontermöglichkeiten ausnutzte und somit den Endstand von 4:0 besiegelte.
Angriffspressing überspielen
Das Überspielen von hoch angesetzten Pressinglinien offenbart wertvolle Räume in Übergangsspiel und Angriff. Dazu müssen die Spielerinnen während der Eröffnung allerdings sehr gut mit Zeit-, Raum- und Gegnerdruck umgehen und die Situation gut überblicken können. Diese „Pressingresistenz“ ermöglicht neben guten technischen Fertigkeiten eine kontrollierte Spieleröffnung, muss allerdings aufwendig geschult werden. Auch im Training sollten die „Aufbauspieler“ immer wieder mit aggressiv pressenden Angreifern konfrontiert und zu spielerischen Lösungen aufgefordert werden. Wichtig ist, sie damit nicht allein zu lassen, sondern den weiter vorne positionierten Spielern die Räume zu zeigen, in denen sie zur Unterstützung und für einen erfolgreichen Ballvortrag gebraucht werden. Die nachstehenden Trainingsformen befassen sich allesamt mit der Spieleröffnung gegen Angriffspressing und bieten eine gute Grundlage für das Erreichen entsprechender Zielräume beim Überspielen der gegnerischen Verteidigungslinien.
Die Festung steht
Vor der 4:0-Niederlage in Hauenhorst stellten wir - zumindest an den Gegentoren gemessen - die beste Abwehr der Liga. Besonders zuhause zeigten wir uns die ganze Saison über stabil und blieben auch gegen Aufstiegskandidaten wie Gütersloh und Rhade ungeschlagen. Mit dem Herforder SV kam nun der nächste Gegner nach Mecklenbeck, der unsere Festung einnehmen wollte.
Nach sieben Minuten sah es auch so aus, als sollte es ihnen das gelingen: Nach einer Unkonzentriertheit im relativ unbedrängten Spielaufbau gaben wir den Ball leichtfertig her und ließen den Gegner Flanken. Hinter der Hereingabe war jedoch nicht sonderlich viel Druck, weshalb wir uns zunächst keine großen Sorgen machten. Doch als unsere Torhüterin auf der Linie beim Abdrücken ausrutschte und der eigentlich lasche aber platzierte Kopfball immer länger wurde, war klar, dass wir zum dritten Mal in Folge einem Rückständ hinnehmen mussten.
Anders als in den Spielen zuvor zeigten wir uns diesmal jedoch unbeeindruckt von den Geschehnissen und zogen in Ruhe unser Spiel auf. Wir drängten den Gegner weit zurück in die eigene Spielfeldhälfte und ließen den Ball sauber zwischen den Mannschaftsteilen zirkulieren, statt ihn bloß von rechts nach links durch die Kette zu schieben. Auch gegen den Ball hielten wir konsequent hohe Verteidigungslinien und gingen aggressiv auf Ballgewinne. Daraus folgten auch die ersten Tormöglichkeiten, in denen uns jedoch das Glück zum Ausgleich vor der Halbzeit verwehrt blieb.
In der Pause gab es nichts zu kritisieren. Wir wollten an die gezeigte Leistung anknüpfen und alles dafür tun, den so wichtigen Sieg einzufahren. Kurz nach Wiederanpfiff fiel dann der erlösende Ausgleich nach einer Ecke. Der Treffer gab nochmal zusätzlichen Aufwind und in der Folge erhöhten wir sogar den Druck. Immer wieder konnten wir nach schnellen Verlagerungen über die Flügel durchbrechen und Torgefahr ausstrahlen. In der 74. Minute war es dann endlich soweit: Ein weiterer Durchbruch am rechten Flügel wurde konsequent bis zur Grundlinie durchgespielt und von dort an den ersten Pfosten abgelegt, wo unsere Mittelstürmerin genau im richtigen Moment zur Stelle war und den Siegtreffer markierte. Herford warf jetzt zwar nochmal alles nach vorne, doch wir verteidigten konsequent und ohne Hektik bis zum erlösenden Abpfiff, sodass am Ende ein verdienter Sieg für uns zu Buche stand.
Schon gewusst?
Angriffspressing wird häufig genutzt, um nach dem Umschaltmoment nur eine möglichst geringe Distanz zum Tor überbrücken zu müssen. Allerdings konnte bislang bei den Männern noch kein statistischer Zusammenhang zwischen Ballbesitz in der eigenen Spielfeldhälfte und der Anzahl an Niederlagen festgestellt werden. Bei den Frauen gibt es hingegen Studien, die einen solchen Zusammenhang mit Zahlen belegen: Die Forscher gehen davon aus, dass Männer durch intensivere taktische Schulung besser mit Raum-, Zeit- und Gegnerdruck umgehen können und somit weniger Fehler produzieren, die schließlich zu Gegentoren führen.