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Handlungsschnelligkeit als komplexer Parameter
Die Handlungsschnelligkeit wird per Definition als Fähigkeit bezeichnet, aufgrund von visuellen, gedanklichen, technisch-taktischen und konditionellen Möglichkeiten schnellstmöglich und präzise zu handeln. Ein Fußballer hat den Ball in einer 90-minütigen Begegnung, je nach Spielposition, etwa 40 Sekunden bis 4 Minuten am Fuß. Er ist also überwiegend nicht direkt am Spielgeschehen beteiligt.
Dennoch ist es erforderlich, ständig die Umgebungsveränderungen der Mitspieler, der Gegenspieler und des Balles zu beobachten, um dann die Folgeaktion zu antizipieren. In einem Spiel ähnelt keine Situation der anderen. Gefordert sind schnelle und situativ angepasste Entscheidungen auf unerwartete Situationen, die durch das Vororientieren erleichtert werden.
„Ball-Watcher“
Die Wahrnehmung des Balles ist wichtig, jedoch kommen dadurch andere Informationen, wie die eigene Position im Raum sowie die Positionierung der Mit- und Gegenspieler oftmals zu kurz. Bespielbare Räume öffnen und schließen sich in Sekundenschnelle, Mitspieler sind blitzschnell zugestellt. Je mehr Zeit vergeht, desto mehr Optionen gehen verloren, um den Gegner zu knacken. Das handlungsschnelle Agieren ist ein essenzieller Bestandteil des modernen Fußballs geworden.
Handlungsschneller in zwei Schritten
Es gibt zwei Aspekte, denen aktuell im Training der Handlungsschnelligkeit und des Entscheidungsverhaltens wenig Beachtung geschenkt wird. Auf der einen Seite die visuelle Wahrnehmung mit Fokus auf dem peripheren Sehvermögen, auf der anderen Seite das Automatisieren der Vororientierung im Spiel ohne Ball.
Visuelle Wahrnehmung - das periphere Sehen
Bewegungshandlungen werden durch die optische Sinnesleistung beeinflusst und dienen als Grundlage der Orientierung und Entscheidung. Insbesondere komplexe Sportspiele wie Fußball stellen hohe Anforderungen an das visuelle System. Jede Situation ist direkt mit der visuellen Wahrnehmung verbunden, die folglich ein leistungsbestimmender Einflussfaktor ist.
Das periphere Sehen gewinnt aufgrund der breiten und tiefen Spielfläche sowie der hohen Anzahl von Spielern an Bedeutung. Die Ausdehnung des Gesichtsfeldes, also die wahrgenommene Fläche bei fixierten Augen, hat in der Horizontalen einen Winkel von bis zu 200 Grad. Im Gegensatz dazu ist die Ausdehnung in der Vertikalen mit bis zu 130 Grad deutlich geringer. Diese Werte unterliegen großen individuellen Unterschieden. Mit den richtigen Trainingsreizen kann das Gesichtsfeld vergrößert werden, sodass Einzelobjekte auf einer größeren Fläche scharf wahrgenommen werden können, was zu einer höheren Informationsaufnahme führt. Je mehr Informationen zur Verfügung stehen, desto bessere Entscheidungen können die Spieler treffen.
Vororientierung
Grundlage für das Vorausdenken ist die Vororientierung. Beobachtet man Spieler mit dieser Qualität während ihres Freilaufverhaltens, ist deutlich zu erkennen, dass sie sich immer wieder auf dem Spielfeld umschauen und versuchen, so viele Informationen wie möglich zu sammeln. Der Schulterblick ermöglicht es, freie Räume zu erkennen, in die sie sich bewegen könne, um anspielbar zu sein. Sie versuchen sich dort so zu positionieren, dass sie zwischen den Linien des Gegners stehen um bei der Ballmitnahme Zeit vor dem Gegnerdruck zu haben. Zusätzlich beobachten sie die Mit- und Gegenspieler, damit sie in Ballbesitz je nach Spielsituation sehr schnell die richtige technisch-taktische Entscheidung treffen könne.