Die DFB-Elf ist mit einem herausragenden 5:1 im Auftaktspiel der EM 2024 ins Turnier gestartet. Bundestrainer Nagelsmann hatte sich mit seinem Trainerteam einen Matchplan überlegt, der zu 100 Prozent aufging. Vor dem Spiel beschrieb er die Probleme der Schotten darin, die Tiefe zu verteidigen und eine große rote Zone zu offenbaren. Das 2:0 steht sinnbildlich für eben jene Schwierigkeiten der schottischen Mannschaft auf der einen Seite, aber auch die Qualität des DFB-Teams auf der anderen, diese konsequent auszunutzen.
Julian Nagelsmann setzte nominell auf das bewährte 4-2-3-1, die Schotten von Cheftrainer Steve Clarke wählten hingegen ein 5-4-1. Während die Scots ihrer Grundordnung treu blieben, ordnete sich das DFB-Team in Ballbesitz in einem 3-1-5-1, welches mit situativ hohen Außenverteidigern Kimmich und Mittelstädt sogar zum 3-1-3-3 wurde. Das führte dazu, dass die Schotten auf letzter Linie zwar klare Zuständigkeiten im 5 gegen 5 hatten, Deutschland jedoch mit einem der Zehner (meist Gündoğan) Überzahl in der sogenannten „Red Zone“ – dem Zehnerraum zwischen Abwehr- und Mittelfeldreihe – schuf. Sie bespielten diesen Raum mit hoher Präzision und Schärfe, was durch die technisch hoch veranlagten Wirtz, Musiala und Gündoğan immer wieder für Gefahr sorgte. Konnte die Zone nicht bespielt werden, war oft auch das sofortige Überspielen der letzten Abwehrreihe ein Mittel, Bedrohung in der schottischen Hintermannschaft zu schaffen.
Das 2:0 durch Musiala wurde durch einen Vertikalpass von Taktgeber Kroos zu Gündoğan in die „Red Zone“ eingeleitet. Diesem ging ein entscheidender Tiefenlauf von Havertz voraus, um genau diesen Raum zu öffnen. Der Kapitän wiederum drehte unter Gegnerdruck auf und steckte mit höchster Präzision perfekt auf den tief startenden Havertz durch. Dieser legte letztlich im Strafraum auf Musiala zurück. Mit einem starken ersten Kontakt löste er sich im Strafraum aus dem Gegnerdruck und „knallte“ den Ball unhaltbar unter die Latte. Der Matchplan von Bundestrainer Nagelsmann ging zwar sowohl vor diesem Treffer als auch danach auf, allerdings steht er idealtypisch für seine Umsetzung.
Spielmacher Kroos hat den Ball auf seiner gewohnten halblinken Position. Auf Havertz Tiefenlauf, mit dem er Verteidiger Hendry mitzieht, läuft Gündoğan zwischen die Linien.
Die dadurch größer gewordene „Red Zone“ nutzt das DFB-Team mit dem Vertikalpass von Kroos zu Gündoğan, der unter Druck ideal aufdreht und sofort in ein Tempodribbling übergeht. Wirtz und Musiala belaufen daraufhin die Tiefe.
Gündoğan spielt einen perfekten getimten Steckpass zu Havertz, …
… der den Ball im Strafraum sichert und zum nachgestarteten Musiala passt. Dieser wiederum löst sich mit einem starken ersten Kontakt weg von McGregor aus dem unmittelbaren Gegnerdruck und schießt aus ca. 11 Metern freistehend unter die Latte zum 2:0 für Deutschland.
Umsetzung auf dem Platz
Das eine ist die Analyse des Profifußballs, das andere die Umsetzung im Amateurbereich. Daher zeigen wir in exemplarischen Trainingsformen, wie das Zwischenlinienspiel und Spiel in den Rücken der Abwehr nach dem Vorbild der deutschen Nationalmannschaft trainiert werden kann.
Trainingsformen zum Zwischenlinienspiel
Organisation
Ein 30 x 15 Meter großes Feld mit einer 5 Meter tiefen Mittelzone markieren.
In der Mittelzone 2 Quadrate und 1 Raute errichten.
Der Trainer steht mit Balldepot neben dem Feld.
2 Teams à 3 Spielerinnen bilden und 4 Neutrale bestimmen.
Je 1 Neutrale an den Stirnseiten und die anderen beiden in der Mittelzone postieren.
Ablauf
3 plus 1 gegen 3 in einer Hälfte
Nach 5 Pässen darf über die Neutralen in der Mittelzone verlagert, die stets die Raute und das ballnahe Quadrat besetzen.
Mit dem Pass zu einer Neutralen darf das ballbesitzende Team in die andere Hälfte laufen.
Mit der erfolgreichen Verlagerung (= 1 Punkt) rücken alle nach.
Ein 70 Meter tiefes Feld mit 2 Toren mit Torhütern und 3 Linien gemäß Abbildung markieren.
2 Teams à 11 Spieler inklusive Torhüter bilden.
Ablauf
Das angreifende Team (hier: Blau) agiert im 4-2-3-1. Die offensiven Spieler bieten sich zentral an, um die Mitte zu überladen.
Das verteidigende Team agiert im 4-4-2 und bewegt sich zu Beginn auf den Linien.
Nach 5 Pässen oder einem Pass hinter die erste Linie darf die verteidigende Mannschaft die Linien verlassen und sich frei bewegen.
danach freies Spiel im 11 gegen 11 mit Abseits
Wirkung der Steuerungsmittel
Die Breite des Feldes erschwert es den Verteidigern, den Gegner unter Druck zu setzen, und vergrößert so dessen Zeitfenster, um zu scannen.
Das Auf-Linie-Verteidigen schafft klar erkennbare Räume zwischen den Ketten und erleichtert die Annahme im Zentrum.
Die 5-Pässe-Regel fördert das geduldige Aufbauspiel, lockt den Gegner und ermöglicht die Vorbereitung des Spiels nach vorn.
Coaching
„Ballfern Geduld!”: Die ballfernen Angreifer sollen ihre Position halten, um Gegner zu binden und ballnah Raum zu schaffen oder eine gute Passoption bei einem Seitenwechsel zu bieten.
Eine strafraumbreite Spielfeldhälfte mit 2 Großtoren mit Torhütern auf den Grundlinien und 2 Rücken an Rücken stehenden Jugendtoren mit 1(!) neutralen Torhüter auf der Mittellinie markieren.
2 Achter-Teams inklusive Torhüter bilden und 2 Neutrale bestimmen.
Ablauf
8 plus 2 gegen 8 plus 1 mit fester Spielrichtung
Nach 8 Pässen in Folge in der eigenen Hälfte sind das Jugendtor und das Großtor in Spielrichtung (Abseits an der Mittellinie) freigeschaltet.
Nach Ballgewinn in der gegnerischen Hälfte sind das Großtor und das Jugendtor (TW 3 besetzt es jeweils in Spielrichtung) sofort frei.
Treffer beim Jugendtor müssen doppelt-direkt erzielt werden: Vorlage und Abschluss mit je 1 Kontakt
Nach Überspielen der Mittellinie darf der Angriff jederzeit abgebrochen werden, um in der eigenen Hälfte auf das Jugendtor spielen zu können.