Lerch-Interview: Endspiel um die Meisterschaft
Stephan, steht ihr am Sonntag im „Endspiel um die Meisterschaft“?
Es ist schon wahrscheinlich, dass die Meisterschaft an diesem Spieltag entschieden wird. Zwar stehen danach noch zwei Partien an - wir treffen unter anderem auf Eintracht Frankfurt, die Bayern auf Bayer Leverkusen - aber die Tendenz nach dem Duell wird richtungsweisend sein. Wer das Spiel gewinnt, hat „eine Hand an der Schale“! Machen wir uns nichts vor: Es ist das entscheidende Spiel dieser Saison.
Wer das Spiel gewinnt, hat „eine Hand an der Schale“!
Den Bayern reicht ein Unentschieden, um die Tabellenführung zu verteidigen. Wer hat den größeren Druck?
Es geht immer darum, Spiele zu gewinnen. Dafür treten wir an! Am Ende des Tages haben die Bayern vielleicht diesen kleinen Vorteil, dass ein Unentschieden reicht. Aber ob sich das auch auf das Spielgeschehen auswirkt, bezweifle ich. Wir haben eine zweite Chance bekommen, denn es sah lange nicht danach aus, dass wir zu diesem Zeitpunkt der Saison noch zwei Titel gewinnen können. Unser ganzes Team spornt das an und wir sind richtig heiß darauf, die bestmögliche Leistung abzurufen und „alles reinzuwerfen“, um nach dem Wochenende ganz oben zu stehen. Da liegt der Druck schon auch ein wenig bei den Bayern, die nach einer sensationellen Saison noch mit leeren Händen dastehen und in der Champions-League und auch im DFB-Pokal ausgeschieden sind. Die entscheidenden Spiele haben sie verloren und es wäre auch für sie extrem ärgerlich, sich nach einer so herausragenden Spielzeit nicht mit einem Titel zu belohnen. Bis vor drei Wochen hat mit uns keiner mehr gerechnet. Ich empfinde es eher als positiven Druck, überhaupt noch die Möglichkeit zu haben, in der Meisterschaft kräftig mitzumischen.
Ein echtes Finale also nach einer anstrengenden Saison. Die beiden besten Mannschaften Deutschlands treffen aufeinander. Inwieweit richtet ihr euch diesmal nach dem Gegner? Oder konzentriert ihr euch nur auf die eigenen Stärken?
Wir müssen uns schon bewusst machen, wo die Stärken des FC Bayern liegen: im Offensivbereich, im Umschaltspiel nach Ballgewinn. Sie haben sehr viel Tempo, sind individuell sehr gut besetzt, agieren mittlerweile auch als Mannschaft kompakt. Sie haben sich eine gewisse Siegermentalität erarbeit und gehen die Spiele selbstbewusst an. Da müssen wir natürlich aufpassen, glauben aber an die eigene Stärke. Denn auch wir haben eine hohe Qualität und sind auch für die Bayern ein unangenehmer Gegner. Es wird darum gehen, mit Leidenschaft, Einsatz und Körpersprache Zeichen zu setzen. Diese Grundtugenden sind in solchen Spielen zwingend erforderlich.
Worauf wird es am Sonntag noch ankommen?
Darauf, welche Mannschaft ihr Spiel besser in des Gegners Hälfte verlagert und in der Lage ist, dort Stress zu erzeugen und Druck auf die Defensive auszuüben. In diesen Partien werden wenige Fehler oft folgenschwer bestraft. Wir versuchen, möglichst wenige zu machen und die Bayern hingegen zu vielen zu zwingen.
Beide Teams sind für ihr Umschaltspiel gefürchtet …
…und auch bei Standardsituationen gefährlich. Wir müssen über die volle Spielzeit hellwach sein und die Chancen eiskalt nutzen, die sich ergeben. Wem das schlussendlich besser gelingt, der wird sich durchsetzen.
Hast du diese Schwerpunkte auch in den letzten zwei Trainingswochen forciert?
Nicht nur, denn wir versuchen das ja auch generell in unserem Spiel umzusetzen. Standardsituationen, Umschaltmomente und Fehler im eigenen Spiel beeinflussen ja den Ausgang jeder Partie. Diese Schwerpunkte trainieren wir regelmäßig durch unterschiedliche Organisationsformen und Provokationsregeln. Es wird diesmal aber auch auf Erfahrung ankommen, darauf, wer sich als Mannschaft besser einstellt und fokussiert. Die mentale Vorbereitung ist sehr wichtig und lässt sich nicht immer nur auf dem Platz umsetzen. Deshalb haben wir in den letzten Tagen auch viele Einzelgespräche geführt, um die Spielerinnen auf die Partie einzuschwören und ihnen die eigene Stärke bewusst zu machen.
Kommunizierst du vor einer solchen Partie also noch mehr mit deinen Spielerinnen?
Bei 25 Spielerinnen im Kader ist es nicht einfach, allen gerecht zu werden. Aber wir hatten jetzt zwei Wochen Zeit, um uns vorzubereiten und da konnten wir schon einige Gespräche führen und auch viele Spielerinnen nach ihrer Meinung fragen. Denn wir profitieren ja auch von der großen Erfahrung, die unser Kader aufweist.
Jetzt gilt es einfach „durchzuziehen“ und darauf zu vertrauen, was wir uns in den letzten Wochen und Monaten erarbeitet haben!
Ihr richtet den Fokus also komplett auf dieses Spiel?
Unbedingt, denn dafür spielen wir ja schließlich Fußball. Das gab es viele Jahre nicht in der Frauen-Bundesliga, dass wir kurz vor Ende der Saison noch zwei Teams um die Meisterschaft spielen. Jetzt gilt es „durchzuziehen“ und darauf zu vertrauen, was wir uns in den letzten Wochen und Monaten erarbeitet haben! Wir hoffen darauf, dass die Automatismen greifen und wir die Spielerinnen optimal vorbereitet haben. In dieser heißen Phase gilt es einen kühlen Kopf zu bewahren und sich nicht verrückt machen zu lassen.
Wie ist dein Gefühl für das Duell am Sonntag?
Sehr positiv! Ich freue mich total auf die Partie, spüre natürlich eine gewisse Grundspannung, hatte aber keine schlaflosen Nächte. Für den gesamten Frauenfußball ist das eine richtig tolle und spannende Situation, es geht um alles. Ich bin sehr optimistisch, hoffe, dass sich das dann auch im Spiel bestätigt und wir alles abrufen können, was wir uns vorgenommen haben.
Anmerkung der Redaktion: Die Mannschaften vom VfL Wolfsburg und dem FC Bayern München trennten sich am 20. Spieltag mit einem 1:1-Unentschieden.