Ab auf's Land!
Ein ganz normaler Tag
Die Mittagssonne thront hoch über dem Bauernhof in Hastehausen. Selbst kleinste Wolken sucht man heute vergeblich. Aus dem schmalen Schatten des Sandsteingebäudes beobachtet ein Münsterländer-Mischling, wie sich einige Enten vom lauen Wind über den Teich treiben lassen. Wäre da nicht Johannes Bagert, könnte man glauben, der Szene in Zeitlupe beizuwohnen. Obwohl er bereits seit sieben Stunden auf den Beinen ist, ist der Landwirt ständig in Bewegung. Zu diesem Zeitpunkt hat er bereits die Esel, Ziegen, Hunde, Kaninchen, Schwäne und das Pferd versorgt, neue Weide eingesät und den Acker für die Maissaat vorbereitet. Langeweile ist ein Fremdwort für ihn. Im Prinzip ein normaler Tag auf einem von rund 267.000 Bauernhöfen in Deutschland. Noch deutet nichts auf den Trubel hin, der in den nächsten Stunden über den Hof hereinbricht. Eine Mädchen-Mannschaft des DJK Borussia Münster wird in Kürze auf dem Hof erwartet. Die Fußballerinnen führt ein Mannschaftsausflug auf das hügelige Land am Rand der Baumberge.
Familie Bagert hat sich entschieden, ein zweites Standbein aufzubauen, und bietet Gruppen (darunter auch Familien, Kindergärten und Schulklassen) die Möglichkeit, entspannte Stunden in der Natur zu verbringen und dabei dem Leben auf einem Bauernhof ein Stück näher zu kommen. Mit ihrem Angebot sind sie nicht allein. Mittlerweile erwirtschaftet jeder vierte Bauernhof mehr als die Hälfte seines Jahresumsatzes durch Gäste - Tendenz steigend.
Waffeln, Rundgang, Hundewelpen
Mechthild und Johannes Bagert begrüßen ein Dutzend Mädchen im Alter von zehn bis zwölf Jahren sowie das Trainerteam und versorgen die Neuankömmlinge gleich mit frischen Waffeln. »Die Eier für den Teig stammen aus eigener Produktion«, erklärt die Landwirtin. Um die reibungslose Versorgung zu gewährleisten, befinden sich zwei Waffeleisen im parallelen Dauereinsatz.
Als die Nachfrage endlich gestillt ist, kann die Führung über den Hof beginnen. Wie viel Futter benötigt ein Schwein? Wie sieht der Tagesablauf aus, wenn gerade keine Gäste zu betreuen sind? Welche Aufgaben beinhaltet das Leben auf dem Bauernhof in den verschiedenen Jahreszeiten? Ebenso gelassen wie fachkundig beantwortet Johannes Bagert mit einem Lächeln jede Nachfrage. Man merkt ihm die Erfahrung und die Freude im Umgang mit Besuchern an.
Während des Rundgangs bietet sich immer wieder die Möglichkeit, den Tieren näher zu kommen. Davon wird auch reichlich Gebrauch gemacht. Ein besonderes Highlight sind neben dem Eselfohlen die zwei Hundewelpen. Auf passende Namen einigt sich die Mannschaft schnell: »Rocky und Lilly«. Beide begleiten die Gruppe fortan nahezu überall hin.
Kinder gegen Trainer
Die erste sportliche Herausforderung des Tages lässt nicht lange auf sich warten. Die Gruppe hat den »Lebendkicker« entdeckt. Schnell finden sich zwei äußerst motivierte Teams im umgebauten Fahrsilo zusammen. Wo früher das Gärfutter für die Tiere des Hofes lagerte, entwickelt sich eine spannende erste Partie. Um die Anzahl der Treffer zu erhöhen, einigen sich beide Kontrahenten schnell, auf Torhüter zu verzichten.
Nach einer Vielzahl sehenswerter Treffer wird die Forderung nach einer anderen Paarung laut: »Trainer gegen Kinder«. Unter den Augen der zu Maskottchen erhobenen Hundewelpen gelingt es dem favorisierten Trainer-Team unter Einsatz seiner ganzen fußballerischen Klasse, einen Drei-Tore-Rückstand noch zu drehen. So achtbar das Ergebnis des »Wunders von Hastehausen« ist, so zweitrangig ist es gleichzeitig für alle am Ende. Es wird vor allem viel gelacht. »Die, die nicht dabei sind, verpassen richtig was!«, fasst es Martha für alle treffend zusammen. Rocky, der es sich in ihrer Armbeuge bequem gemacht hat, widerspricht nicht.
Die Strapazen der Wettkämpfe haben offensichtlich den Appetit angeregt. Auf der überdachten Terrasse des vor über 100 Jahren errichteten Hauptgebäudes erreicht der Absatz der Waffeln seinen heutigen Höhepunkt. Dazu gibt es Apfelsaft und Wasser. Beim Blick über die Felder lassen alle Beteiligten die schönsten Treffer noch einmal Revue passieren.
Auspowern auf der Strohburg
Angeführt von Johannes Bagert setzt sich der Trupp in Bewegung. Ziel sind die grünen Bauwagen, die sich auf dem angrenzenden Feld befinden und den 800 Hühnern des Hofes als mobile Ställe dienen. Mit Überqueren des Zauns empfängt ein Strom neugieriger Hühner die offensichtlich gern gesehenen Gäste. Dabei offenbaren die Tiere großes Interesse an den Schuhen der darauf unvorbereiteten Mädchen und versuchen sich im Öffnen aller in Reichweite befindlichen Schnürsenkel. Darin zeigen sie sich erstaunlich versiert, wie nach der Fütterung festgestellt wird.
Unweit der Hühnerställe liegt die renovierte Feldscheune, in der vor ihrer Umgestaltung Maschinen und Holz untergebracht waren. Vor den neugierigen Augen der Mädchen öffnet Johannes Bagert das große Holz-Tor. In dem unscheinbaren Gebäude erwartet sie eine imposante Strohburg, die bis fast unter die Decke reicht. Ohne zu zögern, erkunden die Mädchen die verwinkelten Gänge, klettern auf die Ballen und testen die Rutsche aus.
Schließlich soll die ungewohnte Umgebung für mehrere ausgiebige Runden Fangen genutzt werden. Doch bevor sich alle nochmal richtig verausgaben können, wird demokratisch über das Regelwerk entschieden. Dann kann es losgehen. Die Enttäuschung der zuerst Abgeschlagenen hält sich dabei auffällig in Grenzen. Zu tröstlich ist die Aussicht auf etwas Zeit mit den Hundewelpen.
Als nach unzähligen Runden und verschiedenen Varianten die Kräfte zu schwinden scheinen, bietet Johannes Bagert an, eine Runde als Fänger zu agieren. Der Vorschlag kommt sichtlich gut an und weckt noch einmal die Lebensgeister. In lediglich drei Minuten sind alle gefangen. Hier hat sich schließlich seine Erfahrung bezahlt gemacht. Noch etwas aus der Puste gibt er zu: »Ich kenne hier jeden Winkel« und erläutert mit einem Augenzwinkern: »Schließlich habe ich die Strohburg selbst gebaut.«
Wie die Zeit vergeht
Einige Waffeln, ein Trecker-Rennen sowie ein Mannschaftsfoto später wirkt die Mannschaft platt wie nach einer Konditionseinheit. Nur die fröhlichen Gesichter durchbrechen den Eindruck, dass Felix Magath mit seinen Medizinbällen am Werke war. Nun verbringen alle noch etwas Zeit in kleinen Gruppen. Während die einen die Tiere auf der Kleintierwiese streicheln, sind die anderen auf dem Naturspielplatz, wo sich Mücke, der Münsteraner-Mischling, regelmäßig im Wasser abkühlt. Mit dem Eintreffen der ersten Autos realisieren die Mädchen, wie viel Zeit mittlerweile vergangen ist. Die Eltern müssen jetzt einigen Aufwand betreiben, ihre Töchter zur Abreise zu bewegen. Trotz größter Bemühungen können Rocky und Lilly nicht vom Bauernhof geschmuggelt werden.
Resümee
Am Ende bleibt die Erinnerung an das gemeinsame Erleben einer kurzweiligen Zeit, in der sich viel über das Landleben erfahren ließ und die viele Möglichkeiten bot, die Kommunikation innerhalb der Mannschaft zu fördern. Sei es beim freien Spielen ohne Leistungsdruck, beim Aushandeln von Regeln oder bei der Aufteilung der Betreuungszeit von Rocky und Lilly. So fand auch Co-Trainerin Jule: »Dieser Ausflug hat unser ohnehin gutes Teamklima nochmal verbessert. Dass die fußballerischen Fähigkeiten heute nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben, hat auch dazu beigetragen, dass einige Spielerinnen aus ihrer Haut gekommen sind, denen es auf dem Fußballplatz sonst vielleicht etwas schwerer fällt.« Dem pflichtet auch Finja bei und ergänzt, »wir müssen unbedingt nochmal hierhin!«