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S C H I E D S R I C H T E R -Z E I T U N G 6 / 2 0 1 6

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Titelthema

nicht zurückgreifen: Karl-Heinz

Tritschler war 1989 Schiedsrichter

des Endspiels im Europapokal der

Landesmeister. 1991 beendete er

seine Laufbahn. Trotzdem weiß

auch er natürlich, wie viel High-

Tech heutzutage unter den Trikots

der Bundesliga-Schiedsrichter

steckt. Und auch, dass es – gerade

im Gebrauch des Headsets – große

Unterschiede gibt: „Bei manchen

wird nur das Allerwichtigste über

den Kanal besprochen, bei anderen

deutlich mehr“, weiß Tritschler.

Mike Pickel nickt. Und wie ist es

in seinem Team? „Ach, ich glaube,

wir liegen da ziemlich im Durch-

schnitt.“

Vom Allrounder

zum Spezialisten

Das Headset kennengelernt hat

Mike Pickel erst in seiner zwei-

ten Karriere – als spezialisierter

Assistent. Im Jahr 2000 war er in

die 2. Bundesliga aufgestiegen,

als Schiedsrichter wohlgemerkt.

Nach einigen Jahren war er sicher,

dass die Karriere als Assistent

ihm bessere Perspektiven bieten

würde. „Es war klar, dass als

Schiedsrichter für mich in der

2.

2. Bundesliga Schluss sein würde.

Weil ich in internationalen Spielen

mitwirken wollte, war der Weg

über die Assistenten-Laufbahn die

logische Wahl.“ Bereut hat er die

Entscheidung nicht.

Und auch beim DFB ist man voll

des Lobes: „Mike Pickel ist ein

absoluter Fachmann. Spezialisierte

Assistenten wie er erreichen noch

einmal einen höheren Grad an

Professionalität als die soge-

nannten Allrounder“, sagt Rainer

Werthmann, in der DFB-Schieds-

richter-Kommission Elite zuständig

für die Assistenten (vollständiges

Interview ab Seite 8). „Das ist aber

auch völlig normal: Ein junger

Zweitliga-Schiedsrichter, der

zusätzlich in der Bundesliga winkt,

will normalerweise erst einmal

selbst als Schiedsrichter weiter-

kommen, bevor er eine Karriere als

Assistent macht.“

Mike Pickel lebt das Assisten-

ten-Dasein. Er ist die personifi-

zierte Akribie. Er schreibt sich

Szenen auf, die ihn im Spiel

beschäftigen, schaut sich nachher

die gesamte Begegnung an und

sagt von sich selbst: „Ich bin

extrem selbstkritisch. Auch wenn

für den Beobachter die Leistung in

Ordnung war, will ich immer noch

ein paar Prozent mehr rausholen.“

Rainer Werthmann sagt, solche

Art von Akribie erkenne man oft

an Kleinigkeiten: „Ein Beispiel ist

die Flaggen-Technik. Die Art und

Weise, wie der Assistent Signale

gibt, wirkt bei den Spezialisten

immer ein Stück weit exakter und

überzeugender.“

Zwei Tore

aberkannt

Zurück in Frankfurt. Eine Drei-

viertelstunde vor dem Anpfiff ist

das Team in der entscheidenden

Konzentrationsphase. Jetzt wird

nicht mehr gestört. Man wünscht

ein gutes Spiel und lässt die Un-

parteiischen allein. Die Kabinentür

schließt sich. Aufwärmen, letzte

Absprachen, dann geht es los:

Wolfgang Stark pfeift an. Mike

Pickel steht mit seiner Fahne auf

der Seite der Trainerbänke. Die Ein-

tracht legt los wie die Feuerwehr,

erspielt sich in den ersten zehn

Minuten schon drei hochkarätige

Chancen, geht kurze Zeit später

mit 1:0 in Führung. Die Hymne

erklingt, die Fans toben, die Stim-

mung im Stadion ist großartig.

Nach einer Viertelstunde ertönt

abermals die „Leichte Kavallerie“

von Franz von Suppé, die Eintracht

Frankfurt als Torhymne dient.

Doch die Fans haben sich zu früh

gefreut: Das 2:0 ist irregulär. Der

Ball war zuvor im Seitenaus, Mike

Pickel hatte die Fahne gehoben.

Eine richtige Entscheidung, die den

Perfektionisten Pickel später aber

trotzdem ärgern wird. „Das hat zu

lange gedauert“, sagt er nach dem

Spiel.

Eine weitere Viertelstunde später

jubeln die Schalker. Doch auch sie

freuen sich zu früh, auch diesmal

hat Mike Pickel Einwände, auch

diesmal liegt er richtig. Klaas-Jan

Huntelaar steht beim vermeint-

Gleich geht’s los: Das Schiedsrichter-Team um Wolfgang Stark ist bereit.

Trotz High-Tech: Die Spielnotizkarte wird auch in der Bundes-

liga immer noch von Hand beschriftet.