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zudem häufig sehr klar, weil die
Mannschaften mit anderen Syste-
men gespielt haben – teilweise mit
Libero hinter der Abwehr! Hinzu
kam, dass auch der technische
Aufwand bei der Übertragung ein
anderer war. In der neuen Saison
sind bei einem Spiel teilweise bis
zu 20 Kameras im Einsatz, bei uns
waren das am Anfang vielleicht
drei oder vier. So kam es natürlich
auch seltener vor, dass uns ein
Fehler nachgewiesen wurde (lacht).
Da hatten wir es insgesamt schon
deutlich einfacher.
dass das für die Kommission in ab-
sehbarer Zeit kein Thema sein wird.
Sie waren selbst langjähriger Assis-
tent in der Bundesliga, sind 2006
ausgeschieden: Was hat sich seither
verändert?
Werthmann
: Als ich in den
80er-Jahren in dem Bereich ange-
fangen habe, hießen die Assistenten
noch „Linienrichter“ und waren
es im Prinzip auch. Ich habe die
Linien überwacht. Die Abseits-Ent-
scheidungen, die wir hatten, waren
Fragen der Regel-Auslegung der
UEFA anzunähern. Das ist aus mei-
ner Sicht auch gut gelungen. Wir
haben in der vergangenen Saison
das eine oder andere Mal nach der
Meinung der UEFA zu einer Szene
gefragt. Die Antwort war dann ei-
gentlich auch immer so, wie wir das
erwartet hatten. Die Diskrepanzen,
die es zum Beispiel beim Abseits
vor einiger Zeit gab, sind heute
eigentlich nur noch minimal. Hier
hat sich unter dem Strich sogar
eher die UEFA unserer Auslegung
angenähert, als dass es umgekehrt
gewesen wäre.
Ein weiterer Unterschied zwischen
DFB und internationalen Spielen ist
das Vorhandensein der „additional
assistant referees“, beziehungsweise
der „Torrichter“. Wie ist hierzu die
Meinung in der Elite-Kommission,
wird es die Torrichter beizeiten auch
in der Bundesliga geben?
Werthmann
: Da sind wir wirklich
mal gänzlich anderer Meinung als
die UEFA. Wir finden nach wie vor,
dass die Torrichter insgesamt sehr
wenig Ertrag gebracht haben. Zwar
hat es auch bei der EURO Situatio-
nen gegeben, in denen die Torrich-
ter geholfen haben – übrigens auch
im Spiel England gegen Wales im
Team von Felix Brych. Es gibt aber
auch sehr viele negative Beispiele,
bei denen vom Torrichter, obwohl
er gut platziert war, entweder kein
oder der falsche Hinweis kam.
Aufwand und Ertrag stehen hier aus
meiner Sicht insgesamt in keinem
Verhältnis. Deswegen glaube ich,
eigentlich alle stimmten. Unter
diesen Szenen waren leider auch
einige klare Fehler.
Ab wann spricht die Kommission von
einem klaren Fehler?
Werthmann
: Das ist nicht grund-
sätzlich an Zentimetern festzu-
machen. Trotzdem hatten wir zum
Beispiel eine Szene dabei, bei der
der Spieler mehr als vier Meter im
Abseits stand. Das ist dann schon
ein außergewöhnlicher Fehler.
Grundsätzlich kann man vielleicht
sagen: Wenn die Abseitsposition
im bloßen Ablauf zu erkennen ist,
wenn sie im Bereich eines Meters
liegt, dann sprechen wir von einem
klaren Fehler. Aber zum Glück kam
das in der vergangenen Saison nur
ganz selten vor.
Was war gut in der vergangenen
Spielzeit?
Werthmann
: Was zum Beispiel
richtig gut funktioniert hat, war die
Regelauslegung, also Fragen wie:
Wann greift ein Spieler ins Spiel ein?
Wann beeinflusst er einen Gegner?
Wann zieht er aus seiner Abseitspo-
sition einen Vorteil? Da haben wir
wirklich kaum Probleme gehabt, da
waren wir hochzufrieden.
Trotzdem hat es gerade in puncto
Abseits-Auslegung immer wieder
Diskrepanzen zwischen DFB, UEFA
und FIFA gegeben. Wie ist da aktuell
der Stand der Dinge?
Werthmann
: Wir haben grundsätz-
lich immer versucht, uns in allen
Umfrage
Wichtige Qualitäten
Ein guter Assistent ist für mich jemand,…
Was zeichnet eigentlich einen guten Assistenten aus? Was ist aus
Sicht des Schiedsrichters wichtig? Welche Qualitäten müssen seine
Team-Mitglieder an den Seitenlinien mitbringen? Wir haben fünf
Bundesliga-Schiedsrichter darum gebeten, den folgenden Satz zu
vervollständigen:
„…der die Momente erkennt, in denen er
eingreifen muss und die, in denen er sich
im Hintergrund hält. Ein treuer und loyaler
Begleiter, der sich auch mal unterzuordnen
weiß, dabei aber immer auf Augenhöhe ist.“
(Felix Zwayer)
„...der als Teamplayer agiert, den Schieds-
richter bei Vergehen auf dem Feld unter-
stützt, und dem ich zu 100 Prozent in seinen
Entscheidungen Vertrauen schenken kann.“
(Bastian Dankert)
„…der mich weit über Abseits-Entschei-
dungen hinaus bei meiner Spielleitung
unterstützt.“
(Marco Fritz)
„…im Spiel erkennt, wann der Schiedsrich-
ter eine Hilfe beziehungsweise Unter-
stützung braucht, der diese dann auch
richtigerweise kommuniziert oder anzeigt
und damit Verantwortung übernimmt.“
(Wolfgang Stark)
„…der verlässlich und jederzeit mit hoher
Motivation und Engagement seine Aufgaben
angeht und dem Erfolg des Teams seine
persönlichen Interessen unterordnet.“
(Tobias Stieler)
Bei den Lehrgängen von Schiedsrichtern und Assistenten
werde viel über die Arbeit im Team gesprochen, sagt Rainer
Werthmann (rechts).