Table of Contents Table of Contents
Previous Page  4 / 36 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 4 / 36 Next Page
Page Background

4

S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 6 / 2 0 1 5

Titelthema

Gewachsene Strukturen

E

s war das Jahr 1989, der Trai-

ner der Frauen-Nationalmann-

schaft hieß Gero Bisanz, die bril-

lante Mittelfeld-Regisseurin war

die heutige Bundestrainerin Silvia

Neid, und die Mannschaft wurde

mit einem 4:1-Sieg gegen das

favorisierte Team aus Norwegen

zum ersten Mal Europameister.

Der erste Titel überhaupt für die

noch junge Elf, ein großer Erfolg,

den der DFB damals natürlich

gerne honorieren wollte.

Wie intensiv 1989 vorab über die

geeignete Prämie nachgedacht

wurde, ist leider nicht überliefert.

Am Ende der Überlegungen kam

man zu dem Schluss, den Fußbal-

lerinnen die wohl größte Freude

mit geblümten Tassen, Untertas-

sen und Kuchentellern bereiten

zu können.

Jenes Kaffeeservice aus saarlän-

dischem Haus ist seither zu eini-

ger Berühmtheit gelangt.

Erst kürzlich konnte ein Muster

davon hinter Glas bei einer Aus-

stellung zu Geschlechterfragen im

Deutschen Historischen Museum

Berlin besichtigt werden – als

Symbol für den stiefmütterlichen

Umgang, den der DFB in den

Anfangsjahren des Frauenfuß-

balls (welchen man bis 1970 aus

Gründen von „Schicklichkeit und

Anstand“ sogar offiziell verboten

hatte) pflegte.

Glücklicherweise haben sich

Strukturen und Image längst

gewandelt. Zwar unterscheiden

wir im Sprachgebrauch immer

noch zwischen „Frauenfußball“

und „Fußball“ (zu dem wir statt-

dessen eigentlich „Männerfuß-

ball“ sagen müssten), dennoch

ist die Professionalisierung bei

den Frauen in den vergangenen

Jahren weit fortgeschritten.

Die Erfolge der DFB-Mannschaft

locken immer mehr Zuschauer in

die Stadien und vor die Fernseher,

im internationalen Vereinsfußball

dominieren deutsche Teams, und

auch das Niveau der Bundesligen

ist deutlich gestiegen. So über-

rascht es nicht, dass sich auch im

Bereich der Schiedsrichterinnen

vieles positiv entwickelt hat.

Auch hier lohnt ein Blick in die

Vergangenheit. Vor 20 Jahren gab

es in Deutschland lediglich gut

900 Schiedsrichterinnen, 2015

sind es knapp 2.600. Eine Stei-

gerung um mehr als 150 Prozent

und – was sogar noch entschei-

dender ist – gegen den Trend bei

den männlichen Kollegen.

Bis es im Frauenfußball so professionell zuging, wie es heute der Fall ist, hat es lange Jahre

gedauert. Inzwischen sind aber nicht nur sämtliche Schiedsrichter-Teams der 1. und 2. Bun-

desliga rein weiblich besetzt, immer mehr Frauen schaffen zudem den Sprung in den Profi-

bereich der Männer. SRZ-Reporter Tobias Altehenger hat die FIFA-Schiedsrichterin Angelika

Söder bei einem ihrer Spiele begleitet – wirft zunächst aber einen Blick in die Historie des

deutschen Frauenfußballs.

Auf geht’s: FIFA-Schiedsrichterin Angelika Söder im Einsatz mit ihren Assistentinnen Susanne

Grams (links) und Monika Pieczonka.