Als Trainer wächst man mit seinen Aufgaben – und mit seinen Teams. Ich bin überzeugt: Wer über die Inhalte einer kontinuierlichen altersgemäßen Fußballausbildung philosophieren möchte, der sollte auch selbst in allen Bereichen entsprechende Praxiserfahrungen gesammelt haben. Und zwar nicht nur in einer Trainingseinheit, sondern jeweils mindestens über eine Saison mit allen Höhen und Tiefen und zahlreichen gemeinsamen Erlebnissen im Umgang mit den Kindern und Jugendlichen sowie in der Mannschaftsführung. Das war mir zu Beginn meiner Trainerkarriere jedoch auch noch nicht klar. Als Trainer meines ersten C-Junioren-Teams hätte ich sogar ausgeschlossen, einmal jemals im Kinderfußball tätig zu sein! Doch man kann sich eben auch täuschen.
Von Köln nach Leverkusen: Erste Schritte im Kinderfußball
Als frischgebackener Abiturient kam ich 1994 zum Studium nach Köln, voller Erwartungen, mein fußballerisches Wissen zu vertiefen. Doch meine ersten Schritte als Kindercoach im Schulprojekt des 1. FC Köln lehrten mich schnell: Im Kinderfußball geht es um viel mehr als nur Taktik. Das soziale Engagement und die Spieler selbst standen im Vordergrund. Und selbst bei meinem ersten eigenen Team, der zweiten U11-Mannschaft, war klar: Die individuelle Entwicklung jedes Spielers hatte Vorrang vor Siegen. Diese Erfahrung war der Startschuss für meine eigene Entwicklung als Trainer.
Der Wechsel zu Bayer 04 Leverkusen markierte einen Wendepunkt in meiner Trainerkarriere. Hier, unter den Fittichen von Horst Bräuninger, einer wahren Koryphäe im Kinderfußball, eröffnete sich mir die Welt der technisch-taktischen Ausbildung junger Spieler.
Individualtaktik spielerisch vermitteln
Horst Bräuninger prägte eine Spielphilosophie, die ganz auf die technisch-taktische Weiterentwicklung jedes einzelnen Kindes ausgerichtet war. Er lehrte uns, dass alle technischen Fertigkeiten nur in der richtigen Anwendung ihre volle Wirkung entfalten. Im Mittelpunkt stand immer der eigene Ballbesitz. Verteidigen? Im Kinderfußball nicht von Bedeutung! Ein 5:4 war ihm immer lieber als ein 1:0.
Als ich später die Rolle des Kinderfußball-Koordinators übernahm, entwickelte ich basierend auf Horsts Philosophie die "8 Grundregeln des Fußballs". Dieses Konzept zielte darauf ab, Kindern erste individualtaktische Fähigkeiten altersgemäß und spielerisch zu vermitteln. In einer spannenden Geschichte über Hexen und Feuerdrachen lernten die Kinder, wie sie im Spiel optimal dribbeln, passen, an- und mitnehmen sowie schießen können.
Die „8 Grundregeln des Fußballs“
Hin zum Ball! Biete dich deinem Mitspieler zum Abspiel an, ohne dass der Feuerdrache an den Ball kommen kann. Lauf dem Ball entgegen!
Ball behaupten! Beschütze den Ball wie eine Elefanten-Mama ihr Kalb. Bau dich groß zwischen dem Ball und deinem Gegner auf!
Ins Feld drehen! Dreh dich wie ein Karussell zur Mitte des Feldes und laufe zielstrebig in Richtung des gegnerischen Tores.
Entscheidungen treffen! Und was jetzt? Geht dir ein Licht auf? Dann triff deine Entscheidung: Dribbeln, passen oder schießen?
Spiel und geh! Der Baseballspieler schlägt den Ball weg und läuft direkt zur ersten Base. Tu es ihm nach: Passen und sofort wieder anbieten!
Breite und Tiefe! So wie die Hexe ihren Wald beschützt, verteidigen deine Gegner ihr Tor. Schaffe Platz in Breite und Tiefe des Feldes.
Positionen halten! Denk daran: Auf dem Feld hat jeder seine Aufgabe. Erfülle sie und vermeide so den Absturz deiner „Fliegerstaffel“.
Decken/Zustellen! Lege deinen Gegner an die Kette. Stell dich zwischen ihn und dein Tor und decke ihn. Oder schnapp dir den Ball einfach vorher!
Besonderes Augenmerk legten wir auf das "Spiel und geh!": Nach einem Abspiel sollten sich die Kinder sofort wieder anbieten, um möglichst zielstrebig zum gegnerischen Tor zu gelangen. Diese Methode förderte nicht nur die technischen Fähigkeiten, sondern auch das taktische Verständnis und die Spielintelligenz der jungen Spieler.
„Taktik ist nicht nur was für die Großen“ – Sven Hehl
Bevor es Fußballtraining Junior gab, haben wir regelmäßig auch in der „Mutterzeitschrift“ Fußballtraining Inhalte aus dem Kinderfußball aufgegriffen. Aus diesem Portfolio habe ich die folgenden Spiele zur kindgemäßen Erarbeitung der „8 Grundregeln des Fußballs“, die methodisch aufeinander aufbauen, entnommen. Als Trainer der Ersten Mannschaft des SV Greven 21 habe ich die Spiele mit den E-Junioren des Vereins in einer Mustertrainingseinheit durchgeführt. Auch basierend auf den in dieser Einheit gesammelten Erfahrungen ist unbedingt festzuhalten: Mit der Rahmengeschichte in ihrem vollen Umfang werden die Kinder mit einer Unmenge an Informationen überhäuft. Dies stellt in einer einzelnen Trainingseinheit eine große Überforderung dar, weshalb sie unbedingt über mehrere Wochen gestreckt werden sollte! Der Trainer oder die Trainerin sollte in jeder Einheit in jedem Fall nur eine Episode der Geschichte vortragen und das damit verbundene Spiel durchführen. Erst, wenn die Kinder die Abläufe dieses Spiels nicht nur verstanden, sondern die Aufgaben auch sachgerecht anwenden können, sollte er/sie zur nächsten Episode vorrücken und die folgenden Inhalte vermitteln.