Teil 2: Eine ungewöhnliche Vorbereitung
Eine Frage der Prioritäten
Neben der langen Pause gab es in unserem speziellen Fall noch weitere Faktoren, die die Wahl der Trainingsintensität beeinflussten: Mit einem neuen Trainer kommen auch neue Eindrücke auf die Mannschaft zu: Eine andere Spielidee wird vorgestellt, veränderte Trainings- und Führungsmethoden wollen abgestimmt und verstanden werden und selbst sprachlich ist nicht immer alles ganz so einfach, wenn die Beteiligten in unterschiedlichen Fußballkreisen aufgewachsen ist.
Während einer „Vor-Vorbereitungsphase" im Juni konnten wir immerhin ein Fundament legen, auf dem wir später in der offiziellen Vorbereitung im Juli aufbauen wollten. Für uns stand klar im Vordergrund, die Freude am Fußball erneut zu festigen und die Spielerinnen zu motivieren, wieder aus freien Stücken und Lust auf's Spielen zum Platz zu kommen. Dazu vermieden wir stumpfe Ausdauerläufe sowie reine Fitnesseinheiten und verknüpften athletische Aspekte stattdessen stets mit technischen Schwerpunkten. Wir arbeiteten die Ausdauerbereiche vorwiegend in Spielformen ab. So festigten sich die neue Spielidee und das konditionelle Niveau gleichsam, wobei der Fokus vermehrt im technisch-taktischen Bereich lag.
Raum für Kompromisse
Bei der Vermittlung der Spielidee ging es mir nie darum, als „allwissender Trainer" jegliche Kritik abzuweisen und nur den einen Weg als den richtigen auszurufen. Vielmehr sollten neue Handlungsalternativen geschaffen werden, um die bereits vorhandene Spielanlage zu erweitern und die Mannschaft, sowie jede einzelne Spielerin in ihren Fähigkeiten flexibler und selbstsicherer zu machen.
So war bereits nach dem ersten Testspiel klar, dass wir an der einen oder anderen Stellschraube drehen müssen, damit sich die Vorstellungen von Mannschaft und Trainerteam annähern und zu einer einheitlich verfolgbaren Spielidee werden können. Bereits im zweiten Test präsentierten wir uns schließlich deutlich sicherer und bestätigten diesen verbesserten Eindruck auch in der Folge. Am Ende der Vorbereitung blicken wir vorwiegend auf positive Erlebnisse zurück, zu denen für mich besonders der Gewinn des „Equality Cups“ und der 1:0-Sieg beim Regionalliga-Team von der TSG Burg-Gretesch zählen. Nur gegen die ebenfalls in der Regionalliga Nord beheimatete Mannschaft vom Osnabrücker SC mussten wir uns zuhause mit 2:4 geschlagen geben.
Außerhalb der Vorbereitungsturniere testeten wir dreimal gegen Mannschaften aus der Landesliga (unterklassig), zweimal gegen Mannschaften aus der Regionalliga (höherklassig) und einmal gegen eine Mannschaft aus der Niedersachsenliga (ebenbürtig).
Ordnung ist das halbe Leben
Zu Beginn der Vorbereitung bekam die Mannschaft einen detaillierten Plan an die Hand. Die Schwerpunkte waren für jeden Trainingstag klar festgelegt und transparent formuliert. Konkret arbeiteten wir uns vom Spielaufbau über das Positions- und Übergangsspiel bis hin zu bestimmten Angriffsmustern vor, ohne dabei die entsprechende Arbeit gegen den Ball und damit verbundene Umschaltaktionen zu vernachlässigen. So entstanden abgeschlossene Trainingszyklen, deren Fortschritte an den Wochenenden auch teilweise auf dem Platz widergespielt wurden. Während wir uns anfangs beispielsweise noch mit dem Toreschießen schwer taten, platzte ausgerechnet nach der ersten „Angriffswoche" beim 8:0 Sieg in Harderberg der Knoten.
Diese Strukturiertheit soll fortan auch charakteristisch für unser Spiel im Ligabetrieb sein. Ich bin kein Fan vom Zufallsprinzip und will den Ausgang jeder Spielsituation bestmöglich beeinflussen können. So gibt es für alle Spielphasen Vorgaben und Verhaltensweisen, die genau dabei helfen sollen und aus unserer Grundordnung ein vollumfängliches Spielsystem machen - flexibel, aber strukturiert.
Reflexion
Zusammenfassend können wir mit unserer „Vorbereitung der etwas anderen Art" aktuell ziemlich zufrieden sein. Aber Zufriedenheit ist bekanntlich der größte Feind des Fortschritts. Ob wir die Prioritäten richtig gesetzt, oder vielleicht wertvolle Prozente im konditionellen Bereich unnötig geopfert haben, werden wir erst im weiteren Saisonverlauf beurteilen können. Stand jetzt macht die Mannschaft den Eindruck, spielbereit zu sein. Immerhin haben wir es geschafft, größere Verletzungen in der Vorbereitung zu vermeiden. Kleinere Wehwehchen konnte unsere Phyiotherapeutin glücklicherweise wegtapen oder ausmassieren, sodass wir zum Saisonstart am kommenden Sonntag (bis auf einige Urlauber) aus dem Vollen schöpfen können.
Schon gewusst?
Die Fähigkeit zur maximalen Sauerstoffaufnahme ist bei Frauen deutlich geringer als bei Männern. Das sorgt dafür, dass der Milchsäurespiegel bei gleicher Belastung schneller ansteigt. Frauen ermüden und übersäuern daher schneller als Männer es tun, sodass eine Übertragung der Trainingsgewohnheiten aus dem Männerfußball nicht möglich ist.