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Tobias Altehenger
und David Bittner
A
uf denerstenBlick ist es einSpiel wie jedes andere
auch: Die U 23 der TSG Hoffenheim testet gegen
den Verbandsligisten VfRMannheim. Für die Trai-
ner ist solch ein Spiel eine wichtige Bestandsaufnahme,
so kurz vor dem Saisonfinale. Doch etwas ist an diesem
Abend anders als sonst: Zuschauer, das ist nicht unge-
wöhnlich, sind zwar keineda, dafür aber eineganzeReihe
Kameras–undmehrtechnischesPersonal,alsmanerwar-
ten würde.
Der Grund dafür sind die Schiedsrichter. Genauer gesagt:
Deniz Aytekin und sein unsichtbarer Helfer imOhr. Denn
auch für denFIFA-Schiedsrichter ist derAbendeinbeson-
derer. Mit seinemTeam testet Aytekin inHoffenheimdas
Zusammenspiel mit dem Video-Assistenten. Für den
Franken ist es das insgesamt achte Mal, dass er sich mit
derThematikbefasst,entwederaufdemPlatzalsSchieds-
richter oder alsAssistent amBildschirm. DieseAufteilung
ist auch genau richtig, erklärt Aytekin: „Es ist extrem
wichtig,beideSeitenzukennen.DustehstauchalsVideo-
Assistent unter enormem Druck, und das muss der
Schiedsrichter natürlich wissen – auch wenn ihm ver-
ständlicherweise daran gelegen ist, möglichst schnell
seine Infos zu bekommen.“
Bisher, sagt Aytekin, waren die Erfahrungen durchweg
gut. Unter hohem Aufwand organisieren DFB und DFL
die verschiedenen Testläufe, um alle Beteiligten optimal
zu schulen. Heute ist es für den Schiedsrichter das erste
Trainingsspiel unter realen Bedingungen.
FUNKKONTAKT NACH KÖLN
Szenenwechsel: Imknapp300Kilometerweit entfernten
Köln steht das Cologne Broadcasting Center, kurz CBC.
Dort sitzen in einem kleinen Büro seit einem Jahr auch
DeutschlandsSpitzen-Schiedsrichter,umdenEinsatzdes
Video-Assistenten zu erproben. In der „Offline“-Phase
haben sie den Einsatz zunächst nur simuliert. ImFrühjahr
fanden zudem eigens organisierte „Pre-Live-Tests“ statt,
inzwischen erfolgen die Übungen sogar in den Bundes-
liga-Stadien. Dabei stehen Schiedsrichter-Team im Sta-
dion und Video-Assistent in Köln jetzt auch miteinander
in Funkkontakt. Bisher allerdings nur in Spielen ohne
Wettkampf-Charakter.
An diesem Abend sitzen Günter Perl und Sascha Stege-
mann an den Monitoren, jeder eine Halbzeit lang. Stän-
dig lassen sie durch den technischen Operator neben
ihnendieBilder nochmal zurückspulenundschauensich
Abseits- und Zweikampf-Szenen in derWiederholung an.
Auf ihren Kopfhörern hören sie den Funkkontakt des
Schiedsrichter-Teams mit, ihre Hand liegt permanent auf
...dann kann er Funkkontakt aufnehmen zu seinem Video-Assistenten.
einem roten Buzzer. Wenn Perl und Stegemann diesen
drücken, können sie sich in den Funkverkehr der Unpar-
teiischen auf dem Feld hineinschalten und ihnen Rück-
meldung zu ihrenEntscheidungengeben. „War der Zwei-
kampf im Strafraum gerade ein Foul?“, fragt Aytekin, als
zehn Minuten gespielt sind. „Natürlich nicht!“, antwortet
Perl kurz und knapp. Ansonsten hätte er sich schließlich
selbst aktiv ins Geschehen eingemischt.
„Nachdem wir den Einsatz des Video-Assistenten bisher
nur simuliert haben, ist die Praxis-Übung noch mal eine
ganz neue Herausforderung“, erklärt Hellmut Krug, der
das Gemeinschaftsprojekt von DFB und DFL federfüh-
rend vorantreibt. „ZumBeispiel müssenwir für den Funk-
betriebklareRegelnaufstellen,wennnebenSchiedsrich-
ter, Assistenten und Viertem Offiziellen jetzt noch ein
weitererGesprächspartnerhinzukommt.DerVideo-Assis-
tent muss sich im richtigen Moment ins Gespräch hin-
einschalten. Und es muss immer wieder gegenseitig die
Rückmeldung kommen, dass man sich verstanden hat.“
Dass dies manchmal schwieriger ist, als man eventuell
vermuten könnte, wird schon bei dem Testspiel in Hof-
fenheim deutlich. Noch wird daran gefeilt, die Qualität
desFunkverkehrsaufeinhöchstmöglichesLevelzuheben.
Wenn das Stadion später ausverkauft ist, sollen sich
SchiedsrichterundVideo-Assistentdennochgutverstän-
digen können.
Einen Härtetest dafür gab es in der 73. Minute, als Izze-
dine Noura für Mannheim zum 1:1-Ausgleich trifft. Wäh-
rend sich die Spieler nach der Tor-Erzielung zurück in
Richtung Spielfeldmitte bewegen und in ihrer jeweiligen
Ein Jahr lang wurde zunächst im Hintergrund getestet, aber jetzt
wird es ernst: In der neuen Bundesliga-Saison darf der „Video-Assis-
tent“ direkten Einfluss auf die Entscheidungen des Schiedsrichters
nehmen. Wie das funktioniert, wurde bei Tests in den Bundesliga-
Stadien in den vergangenen Monaten erprobt.
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