Schiedsrichter-Entscheidungklarfalsch?Undwannbeste-
hen ‚nur große Zweifel’ an der Richtigkeit? Dieser Über-
gang ist fließend“, macht Krug die Schwierigkeit für den
Video-Assistenten deutlich. Sascha Stegemann sieht das
genauso:„DieTätigkeitamBildschirmisteinneuesHand-
werk, das wir erst erlernen müssen. Wir werden sehr gut
vorbereitet sein,müssenaber aucherst einmal Erfahrung
und Sicherheit gewinnen. Man guckt ein Fußballspiel
schließlich ganz anders als zu Hause auf dem Sofa.“
Wieschwierigesist,alsVideo-AssistenteinenklarenKopf
zu bewahren, durfte Günter Perl bereits während der
„Offline-Testphase“erfahren.ErbegleiteteamBildschirm
das Revier-Derby Schalke gegen Dortmund, bei demder
Schiedsrichter in der Nachspielzeit ein Handspiel von
Bartra imeigenen Strafraumzu bewerten hatte. „Obwohl
wir wussten, dass unser Training als Video-Assistent
damals noch keinen Einfluss aufs Spiels hatte, waren wir
im Anschluss daran schweißgebadet – man muss stets
hoch konzentriert sein“, berichtet Perl.
Schließlich würden Schiedsrichter-Entscheidungen von
Millionen Zuschauern gesehen und bewertet. „Wenn der
Video-Assistent trotz seiner Möglichkeiten am Ende zu
einer falschen Entscheidung käme, gäbe es dafür – zu
Recht! – kein Verständnis in der Öffentlichkeit. Klare fal-
sche Entscheidungen will niemand sehen.“ Neben Perl
werden übrigens auch Dr. Jochen Drees und Wolfgang
Stark nach dem Ende ihrer aktiven Karriere ab Sommer
2017 am Video-Assistent-Projekt beteiligt sein.
ERFOLGREICHER STADION-TEST
Bei dem Testspiel in Hoffenheim geht – abgesehen von
den kleineren technischenProblemen– alles erfolgreich
über die Bühne. Kritische Entscheidungen muss Deniz
Aytekin sogutwiekeine treffen. Bei einemFaller imStraf-
raum wollen die Hoffenheimer einen Strafstoß haben,
dochAytekinentscheidetzuRechtaufStürmerfoul.Assis-
tent Martin Petersen, der in der kommenden Saison als
Aufsteiger in die Bundesliga ebenfalls in den Genuss der
menschlich-technischen Unterstützung kommen wird,
hat dagegen deutlich mehr knappe Entscheidungen zu
treffen. In einigen kniffligen Abseits-Entscheidungen
hätte er gegebenenfalls vomVideo-Assistentenprofitie-
renkönnen. Allerdings nur eventuell, dennPetersen liegt
an diesem Abend immer richtig.
Nach dem Spiel ist Deniz Aytekin mit der Übung hoch-
zufrieden – obwohl oder gerade weil noch nicht alles
hundertprozentig funktioniert hat: „Für mich war das
wirklich einQuantensprung in Sachen Erfahrungen sam-
meln. Heute war es wirklich Training unter Wettbewerbs-
Bedingungen–nur ohnedieganz großeDrucksituation.“
Die Szene in der 73. Minute, als er nach der Torerzielung
nicht auf das „Go“ aus Köln gewartet hat, ärgert ihn zwar
ein bisschen, „aber da sieht man eben auch, warum wir
derart professionell und intensiv testen“.
Bis zum Bundesliga-Start Mitte August bleiben noch ein
paar Wochen Zeit, die die Schiedsrichter zur weiteren
Vorbereitungdes Video-Beweises nutzenwerden: „Beim
Sommer-Trainingslager werden wir die Ergebnisse aus
der Testphase reflektieren undpräzisieren, wannwir vom
Video-AssistenteneinenSpieleingrifferwarten“,sagtKrug.
WeitereTest-EinsätzesollendannbeidenFreundschafts-
spielen der Bundesliga-Teams im Rahmen der Saison-
Vorbereitung stattfinden. „Undwirwollenvor allemauch
die Trainer, Spieler und Fans weiterhin darüber informie-
ren, was ab Sommer auf sie zukommt“, nennt Krug eine
weitere ganz wichtige Aufgabe.
Denn eines steht fest: Auch wenn der Video-Assistent
möglichst geräuschlos im Hintergrund agieren und den
Fußball nicht verändern wird – es ist schon „eine kleine
technische Revolution“, wie RainerWerthmann es nennt,
die der Bundesliga zur neuen Saison bevorsteht.
ZWE I WI CHT I GE
GE S TEN
Wartet der Schiedsrichter nach seiner Entscheidung – aber
noch vor der folgenden Spielfortsetzung – auf einen Input des
Video-Assistenten, zeigt er mit seiner Hand an das Ohr, in dem
der Lautsprecher seines Funkgeräts befestigt ist.
Zeigt der Schiedsrichter mit seinen Händen die Umrisse eines
Bildschirms, bedeutet dies entweder, dass eine Entscheidung
getroffenwird, die aufgrund des Inputs durch den Video-Assis-
tenten kommt, oder es bedeutet, dass sich der Schiedsrichter
eine Szene in der „Review-Area“ anschauen möchte (zum Bei-
spiel um zu überprüfen, ob ein Kontakt zwischen Verteidiger
und Stürmer für einen erfolgten Strafstoß-Pfiff tatsächlich aus-
reichend war).
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