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T E X T

Günther Thielking

Dass ein Zuschauer unangemeldet aufs Feld läuft, passiert

leider immer wieder einmal.

N

ur wenige Sekunden lang dauerte die Spielun-

terbrechung imHalbfinale des DFB-Pokals zwi-

schenBorussiaMönchengladbachundEintracht

Frankfurt, als gegen Spielende ein zweiter Ball auf das

Feld rollte unddie Spieler irritierte. Schiedsrichter Deniz

Aytekin unterbrach das Spiel, ließ den zweiten Ball ent-

fernen undgab als Spielfortsetzungden Schiedsrichter-

Ball. Es war ein Zwischenfall, wie er hundertfach an

jedem Wochenende auf Deutschlands Sportplätzen

passiert – und bei demdas Prozedere für jeden Schieds-

richter Routine sein sollte.

Weitaus mehr Aufsehen verursachte da schon eine

Störung von außen im Spiel des TSV Elstorf gegen den

TuS Celle im Bezirk Lüneburg im Niedersächsischen

Fußballverband: Das Spiel wurde zur Halbzeit abgebro-

chen, nachdem in der ersten Halbzeit mehrere alkoho-

lisierte Fans bengalische Feuer gezündet hatten. Der

Platz war daraufhin von beißendem Nebel eingehüllt.

Selbst ein größeres Polizeiaufgebot konnte die Krawall-

macher nicht stoppen, und im Anschluss kam es sogar

noch zu Schlägereien.

Auch wenn man solche Ausschreitungen bisher eher

aus dembezahlten Fußball kannte, zeigt dieses aktuelle

Beispiel, dass selbst untere Spielklassen von aggressi-

ven Eingriffen in den Spielablauf betroffen sein können.

„Ausschreitungen jeglicher Form sind in der heutigen

Zeit leider ein dunkler Fleck in unserer Gesellschaft. Sie

kommen überall vor, beim Open-Air-Konzert, in politi-

schen Auseinandersetzungen und eben auch imSport“,

sagt Ronny Zimmermann, der als DFB-Vizepräsident für

die Schiedsrichter verantwortlich ist. „Wir dürfen solche

Vorfälle auf keinen Fall bagatellisieren. Zugleich müs-

sen wir aber die hohen Werte herausstellen, die der

Sport – und hier der Fußball – in unserem demokrati-

schen System leistet: im Bereich der Integration, aber

auch im Bereich der Erziehung zu sozialem Verhalten

und zu körperlicher Fitness.“

Unabhängig von diesen positiven Elementen belasten

solche Zwischenfälle aber natürlich den geordneten

Ablauf eines Spiels. Um einem solchen Szenario prä-

ventiv zu begegnen, hat der DFB deshalb zusammen

mit den Verbänden wichtige Bestimmungen und

Hinweise erlassen. Sie geben dem Schiedsrichter einen

Leitfaden, wie er im Fall der Fälle handeln muss. So wird

zum Beispiel klar geregelt, wie Schiedsrichter, Mann-

schaften und Teamoffizielle reagieren müssen, wenn

FeuerwerkskörpergezündetunddamitPersonengefähr-

det werden. Auch bei rassistischen und rechtsradikalen

verbalenAusfällengibt esdieVorgabe, dassder Schieds-

richterdasSpielzunächstunterbrechenunduntergewis-

sen Umständen sogar abbrechen muss.

Beleidigungen und bösartige Kritik reichen bis in die

Jugendspielehinein. DortmüssenNachwuchs-Schieds-

richter zunehmend damit rechnen, dass sie und sogar

die Kinder von Trainern, Betreuern und Eltern verbal

angegangen werden. Enttäuscht von der Leistung ihrer

Spieler oder der Entscheidung des Schiedsrichters grei-

fen die Erwachsenen manchmal sogar in das laufende

Spiel ein. Sie werfen Trinkflaschen auf das Spielfeld,

kommen auf den Rasen gerannt und attackieren den

Unparteiischen. Das führt zuSpielunterbrechungenund

in letzter Konsequenz auch Spielabbrüchen – selbst in

diesen Altersklassen.

Kommt es zu solchen Vorfällen, dannmuss der Schieds-

richter entsprechend der Vorgaben im DFB-Regelheft

zunächst aber alles versuchen, um einen Spielabbruch

abzuwenden. ImRegelheft heißt es: „Ein Schiedsrichter

kann ein Spiel abbrechen. Ein Abbruch sollte nur erfol-

gen, wenn alle zumutbaren Mittel, das Spiel fortzuset-

zen, erschöpft sind. Gründe für einen Spielabbruch

können beispielsweise Witterungsverhältnisse, Flut-

lichtausfall, Einflüsse von außen wie Zuschauer-Aus-

schreitungen, massive Bedrohungen oder ein tätlicher

Angriff gegen den Schiedsrichter oder sein Team sein.“

Im Fall eines Spielabbruchs muss der Schiedsrichter

noch am Spieltag seinen Obmann, den Ansetzer oder

denLehrwart vondemGeschehen telefonisch informie-

ren. Eine SMS, eine kurze Information über WhatsApp

oder eine E-Mail reichen als Hinweis nicht aus. Die Mit-

glieder des Schiedsrichter-Ausschusses sind Vertrau-

ensleute des Schiedsrichters und können auf solche

Vorfälle nur dann reagieren, wenn sie vom betroffenen

Unparteiischen ausführlich und aus erster Hand seine

Sicht dargelegt bekommen.

Doch selbst wenn die Einflüsse von außen keinen

Abbruch, sondern nur eine längere Spielunterbrechung

erfordern, muss der Schiedsrichter Kontakt zu seinen

Ansprechpartnern aufnehmen. Das kann zum Beispiel

der Fall sein, wenn sich ein Spieler schwer verletzt und

der Einsatz eines Krankenwagens notwendig ist. Oder

bei witterungsbedingten Einflüssen wie Gewitter oder

Starkregen. Die Offiziellen werden dem Schiedsrichter

dann – auf Grundlage ihrer langjährigen Erfahrung und

ihrer Kompetenz – die bestmögliche Hilfe bei den

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