Table of Contents Table of Contents
Previous Page  8 / 36 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 8 / 36 Next Page
Page Background

S C H I E D S R I C H T E R -Z E I T U N G 2 / 2 0 1 7

8

Titelthema

wäre nicht nur dem Fußball gene-

rell geholfen, sondern auch und

gerade unseren Schiedsrichtern.

Stichwort „Werner-Schwalbe“...

Krug

: Auf dem Platz, aus der

Position des Schiedsrichters, war

es ganz schwer, diese dynamische

Szene in Sekundenbruchteilen

richtig zu beurteilen. Aus der Hin-

tertor-Kamera-Perspektive, die der

Schiedsrichter nicht hat, war es

hingegen schnell klar, dass Werner

eine lupenreine „Schwalbe“ hin-

gelegt hatte. Und alle im Stadion

wussten es mit ihrem Smartphone

in der Hand nach wenigen Sekun-

den. Nur der Schiedsrichter durfte

keine Hilfe in Anspruch nehmen.

Das ist nicht mehr zeitgemäß.

Werden schwerwiegende Schieds-

richter-Fehler bei idealer Anwendung

des Systems künftig ausgeschlos-

sen? Oder können Sie nur mini-

miert werden?

Krug

: Wenn wir die von uns als

schwerwiegend definierten Fehler

zugrunde legen, können wir bei

optimalem Verlauf sicherlich drei

Viertel dieser Fehler abstellen.

Dabei besteht das größte zu lö-

sende Problem darin, die Frage zu

beantworten, wann dem Schieds-

richter ein KLARER Fehler unter-

laufen ist. Denn nur in diesem Fall

soll der Video-Assistent eingreifen.

Aber was muss gewährleistet

sein, damit ein Schiedsrichter-

Fehler als KLAR spezifiziert wird?

Also wann muss ein Video-Assis-

tent eingreifen? Die Diskussion

entsteht zwangsläufig bei vielen

Einzel-Situationen, und mit dieser

Diskussion müssen wir auch in

Zukunft rechnen, weil die Über-

gänge von „klar“ zu „weniger klar“

auch einer gewissen Subjektivität

unterworfen sind, die Abgren-

zung mitunter schwierig ist.

Was bedeutet das für das

weitere Vorgehen?

Krug

: Eine Umfrage im Stadion

können wir schlecht starten, also

müssen wir über vorhandene

Präzedenzfälle eigene Leitlinien

definieren. Nur so können wir eine

größtmögliche Einheitlichkeit in

der Anwendung erreichen. Daher

ist das Training mit Einzel-Situatio-

nen von ungeheurer Bedeutung.

Aus gutem Grund versorgen wir

über den wöchentlichen Trainings-

betrieb in Köln hinaus die Schieds-

richter seit Saisonbeginn an jedem

Montag mit bis zu zehn Einzel-

Situationen vom vorausgegange-

nen Spieltag. Die Schiedsrichter

beantworten online, ob und wie sie

als Video-Assistent eingegriffen

hätten. Die Lernerfolge dieser

Maßnahme sind evident. Wir haben

im Verlauf der Trainingswochen

nach und nach eine viel größere

Einheitlichkeit erzielt. Und die wird

letzten Endes auch mitentschei-

dend für das Gelingen des Projekts

„Video-Assistent“ sein.

Soll es zukünftig auch professio-

nelle Video-Assistenten geben, die

nur noch am Bildschirm sitzen?

Oder soll dort ganz bewusst immer

auch ein Austausch stattfinden?

Krug

: Das wäre zu weit in die Zu-

kunft gedacht. Im Moment kommen

als Video-Assistenten nur die Bun-

desliga-Schiedsrichter in Betracht.

Außerdem hören in diesem Jahr

drei renommierte Schiedsrichter

altersbedingt auf: Jochen Drees,

Günter Perl und Wolfgang Stark.

Es wäre gut möglich, dass auch die

drei weiterhin als Video-Assisten-

ten eingesetzt werden.

Wie sind bisher die Schiedsrich-

ter-Rückmeldungen zu diesem

neuen Aufgabengebiet?

Krug

: Alle ziehen hervorragend

mit. Auch den aktiven Schieds-

richtern ist natürlich sehr am

Gelingen des Projekts gelegen,

weil sie wissen, dass die Technik

ihnen helfen wird. Dass es immer

einmal den einen oder anderen

Hinweis gibt, wie man es vielleicht

besser machen könnte, liegt in

der Natur der Sache. Aber das

derzeit bestehende Protokoll

und dessen punktgenaue Umset-

zung sind für alle Nationalver-

bände bindend.

Und letzten Endes haben auch

diejenigen, die das Protokoll

definiert und aufgesetzt haben,

sich am meisten von allen mit

der Thematik auseinandergesetzt

und jeden Stein umgedreht,

soweit das auf der Basis ohne

grundlegende Praxiserfahrung

möglich ist. Also werden wir uns

wie jede Nation daran halten.

Ob und inwiefern es nach der

ersten Online-Phase dann noch

zu Änderungen und Modifikatio-

nen kommt, werden wir sehen.

Sehen Sie neben den Chancen

auch Risiken?

Krug

: Ich sehe nur ein Risiko: dass

die Öffentlichkeit zu ungeduldig

reagiert. Wir dürfen nicht die Erwar-

tung vermitteln, dass es künftig

keine Fehlentscheidungen mehr

geben wird. Gerade in der Anfangs-

phase müssen wir damit rechnen,

dass es zu Fehlern kommen wird,

die in der Öffentlichkeit Diskussio-

nen auslösen. Und sei es nur in

der Frage: Warum hat der Video-

Assistent nicht eingegriffen?

Wir können in unserer Kom-

mission selbst auch im Nach-

gang feststellen, dass er hätte

eingreifen sollen. Dann müssen

wir eben nachjustieren. Fehler

sind auf jeder Ebene unvermeid-

lich, auch wenn wir mit höchster

Präzision arbeiten. Aber alle,

auch Spieler, Vereinsvertreter

und die Öffentlichkeit, müssen

dem System zunächst einmal

eine faire Chance geben.

Was wird Ihre künftige Rolle in

Sachen Video-Assistent sein,

sobald die Testphase end-

gültig abgeschlossen ist?

Krug

: Ich werde, im Wechsel mit

meinen Kollegen aus der Schieds-

richter-Kommission Elite, unsere

Unparteiischen in der Rolle eines

„Supervisors“ unterstützen. Wir

werden an den Spieltagen, freitags

und sonntags einzeln, samstags

zu zweit, im Replay-Center in

Köln vor Ort sein – sozusagen

auf „Stand-by“. Im Bedarfsfall

können wir dann den Video-Assis-

tenten umgehend unterstützen.

Die Mitglieder der Schiedsrichter-Kommission Elite (im Vordergrund: Lutz Michael Fröhlich)

werden den Video-Assistenten als „Supervisoren“ beratend zur Seite stehen.