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Bei extra organisierten Freund-
schaftsspielen zwischen Junio-
ren-Bundesliga-Mannschaften
testen die Video-Assistenten
unter Wettkampfbedingungen.
Die nächste Stufe auf dem Weg
zur erfolgreichen Einführung: In
der Spielzeit 2017/2018 wird der
Video-Assistent in der Bundes-
liga zum Einsatz kommen.
Zunächst ein Jahr auf Probe.
Die Schiedsrichter setzen große
Hoffnungen in das Projekt:
„Durch den Video-Assistenten
werden dann wichtige Entschei-
dungen überprüft oder auch
korrigiert, die in realer Geschwin-
digkeit nicht zu beurteilen
sind“, erklärt Marco Fritz.
„Auf dem Platz versucht man
immer, die bestmögliche Po-
sition zu erreichen“, ergänzt
Benjamin Brand. „Aber es kommt
immer wieder vor, dass Fehler
erst aus völlig anderen Per-
spektiven aufgedeckt werden.“
Technik trifft Wirklichkeit, eine
zusätzliche Hilfe für den Referee.
Das Spiel wird dadurch noch fairer,
noch gerechter. Fehlentschei-
dungen sollen auf ein absolutes
Minimum reduziert werden.
Davon profitieren alle Beteilig-
ten – Spieler und Verantwortli-
che, Fans und Zuschauer. Und
natürlich auch die Schiedsrichter.
keit sehr umfangreich über das
Großprojekt. Mehr als 50 Medien-
vertreter berichteten bundesweit
von der Veranstaltung. „Es gab
44 klare Fehleinschätzungen bis
zur Winterpause, von denen die
Video-Assistenten 33 hätten auf-
klären können“, erklärte der für
Schiedsrichter zuständige DFB-
Vizepräsident Ronny Zimmermann.
„Die Entscheidung wird weiterhin
bei dem Hauptschiedsrichter
auf dem Platz liegen. Wir reden
ganz bewusst von zusätzlichen
Assistenten.“ Unter dieser Maxime
laufen die Tests in Köln ab.
Noch intensiver wird es in den
nächsten Wochen. Dann sind die
ersten „Pre-Live-Tests“ geplant:
15.30 Uhr, die Bundesliga-Spiele
beginnen. Die vier Bundesliga-
Schiedsrichter in Köln begleiten
an den vier Arbeits-Stationen
jeweils ein Spiel in der Rolle
des Video-Assistenten, neben
sich einen Operator, der für die
Auswahl der Bilder zuständig ist.
Zu Übungszwecken arbeiten DFB
und DFL mit zwei verschiedenen
internationalen Dienstleistern,
um das optimale System für
die Bundesliga zu finden. Jeder
Schiedsrichter soll im Laufe der
Ausbildung wenigstens einmal
mit beiden Systemen gearbeitet
haben. Die Rückmeldungen sind
sehr wichtig – nur wenn die
aktuellen Schiedsrichter mit dem
System sehr gut zurechtkommen,
stellt es die angestrebte Verbes-
serung dar.
„Am Anfang war ich zunächst
noch skeptisch, ob wir schnell
genug die richtige Entscheidung
treffen können – inzwischen bin
ich davon überzeugt, dass wir das
schaffen“, erklärt FIFA-Schieds-
richter Marco Fritz, der inzwi-
schen an drei Trainings-Sessions
teilgenommen hat. „Die größte
Herausforderung liegt darin, dass
das Spiel oftmals ja weiterläuft,
während ich eine Szene über-
prüfe – denn in der Zwischenzeit
kann eben schon wieder etwas
passieren.“
Bislang liegen alle Planungen auf
Kurs. In einer gemeinsamen Presse-
konferenz informierten DFB und
DFL im Januar 2017 die Öffentlich-
Nach dem theoretischen Einstieg
geht es weiter zu einem „Praxis-
test“. Krug hat zahlreiche Szenen
aus der aktuellen Bundesliga-
Saison vorbereitet. Die vier
Schiedsrichter bekommen sie
vorgespielt – und müssen anhand
der TV-Bilder entscheiden, ob der
Referee richtig lag, oder ob sie
als Video-Assistent eingreifen
und eine andere Entscheidung
empfehlen würden. Training unter
Zeitdruck.
Schnell wird deutlich, wie wichtig
es ist, dass Video-Assistent und
Operator optimal harmonieren
müssen: Schafft es das Team, in
wenigen Sekunden die richtige
Kamera-Perspektive heranzuzie-
hen? Interpretiert der Video-
Assistent die Bilder richtig? Je
häufiger sie trainieren, je mehr
Szenen sie durchspielen, desto
besser greifen die einzelnen
Schritte ineinander über.
„Es ist wirklich faszinierend, was
mit der modernen Technik mög-
lich ist, wie schnell die Bilder aus
den unterschiedlichen Perspekti-
ven zur Verfügung stehen und wie
schnell auch auf unsere Wünsche
seitens des Operators reagiert
werden kann“, sagt Bundesliga-
Schiedsrichter Benjamin Brand.
Bereits zum zweiten Mal nimmt
er an einem Training in Köln teil:
„Derart konzentriert und intensiv
habe ich bisher noch keine Spiele
auf dem Monitor verfolgt. Man
muss sich darüber im Klaren sein,
dass man auch vor dem Monitor
ein wichtiger Bestandteil des
Schiedsrichter-Teams ist.“
Der aktuelle „Offline“-Testlauf
bietet den notwendigen Raum,
um gemeinsam zahlreiche
Detailfragen zu besprechen. Die
Referees geben sich gegensei-
tig eine Rückmeldung über die
Einschätzung ihrer Szenen. Sie
unterstützen sich, wenn eine
stark umstrittene Szene über
den TV-Bildschirm flimmert. Und
sie helfen sich gegenseitig, um
sukzessive die Einheitlichkeit
bei der Arbeit als Video-Assistent
voranzutreiben. Alle Beteiligten
sind auf einem guten Weg.
Innerhalb weniger Sekunden lässt sich die gleiche Szene aus
verschiedenen Perspektiven am Bildschirm analysieren.
In der Hinrunde übte jeder Bundesliga-Schiedsrichter
(hier: Benjamin Brand) mindestens zweimal den Einsatz als
Video-Assistent.