FC St. Pauli U16: Kreative Spieleröffnung beim Abstoß
Neue Regel - neue Möglichkeiten
Da Abstöße nun auch im Strafraum angenommen werden dürfen, haben die Passempfänger zunächst weniger Gegnerdruck und somit mehr Zeit, um die Folgeaktion auszuführen. Außerdem entstehen neue Passwinkel, die mehr Varianten zum Überspielen der ersten Verteidigungslinie ermöglichen. Dieses aktive Überspielen dient dem Ballvortrag in die Zonen, aus denen heraus gefährliche Angriffe gestartet und schlussendlich auch Tore erzielt werden sollen. Gerade gegen Mannschaften die im Angriffspressing agieren, wird die ballbesitzende Mannschaft häufig in ihren Aktionen gehemmt und so in eine Art Passivität gedrängt. Um dies zu vermeiden, sollen die Spieler selbst aktiv werden und im Dribbling die erste gegnerische Verteidigungslinie attackieren, statt bloß auf das Anlaufverhalten der Gegner zu reagieren. Somit entziehen sie sich der Drucksituation und zwingen den Gegner dazu Räume freizugeben, die ein sauberes Übergangsspiel ermöglichen.
Andribbeln aus der Innenverteidigung
„Nicht fummeln da hinten!“
Dribbelnde Innenverteidiger sind auch heute noch ein Alptraum für viele Trainer. Wird das mutige Andribbeln jedoch zielgerichtet umgesetzt, entpuppt es sich als elementare Strategie im Spielaufbau. Der ballführende Spieler kann frühzeitig Gegner binden und somit den Defensivverbund schon in der ersten Linie aufbrechen. Darüber hinaus können die Innenverteidiger besser und schneller auf das Anlaufverhalten der Angreifer reagieren sobald sie in Bewegung sind. Stehen die Innenverteidiger während des Spielaufbaus, fehlt ihnen häufig die Beweglichkeit und der nötige Antritt, um sich aus Drucksituationen zu befreien.
Bewusstes Risiko
Nicht alle Trainer wollen das Spiel kurz und flach eröffnen. Das Risiko hinten rein gedrängt zu werden und Ballverluste kurz vor dem eigenen Tor zu erleiden ist ihnen zu groß und wird durch die neue Abstoßregel nicht gänzlich entschärft. Olde sieht in diesem Risiko jedoch eine Chance, die Philosophie seines Vereins umsetzen zu lassen und die Spieleröffnung mutig zu gestalten. Neben dem zeitlichen Vorteil und den neuen Passwinkeln erkennt er außerdem den Überraschungseffekt. So erarbeitet Olde gemeinsam mit dem Trainerteam und seinen Spielern Lösungsmöglichkeiten, um gegen gegnerisches Angriffspressing vorzugehen und setzt dabei bewusst auf Muster, die Mut erfordern. In der Spieleröffnung des FC St. Pauli führt nämlich einer der Innenverteidiger den Abstoß aus, während der zweite Innenverteidiger und der Torwart sich an den Eckpunkten des Fünfmeterraums anbieten. Nach seinem Zuspiel hinterläuft der ausführende Innenverteidiger den Passempfänger, lässt sich den Ball in den Lauf legen und dribbelt nun mit dem bereits aufgenommen Tempo aktiv auf die gegnerische Verteidigungslinie zu. Dieses durchaus riskante Vorgehen findet jedoch nie ohne Absicherung statt. Sowohl der Sechser, als auch der ballentfernte Außenverteidiger schieben während der Eröffnung zentral ein, um die Lücke zu schließen und bei einem potenziellen Ballverlust einzugreifen.
Lösungen gegen Angriffspressing finden
In der dargestellten Situation ist zu erkennen, dass beide Mannschaften in einer 4-3-3 Grundordnung agieren. Mit dem Abstoß attackieren die Nummern 7 und 9 der roten Mannschaft den Passempfänger, der kurz diagonal andribbelt und dann auf den hinterlaufenden Innenverteidiger abspielt. Durch das Binden der 7 wird auf der linken Seite der ballbesitzenden Mannschaft Raum frei, der nun genutzt werden soll um den Ballvortrag weiter zu gestalten.
Um den freien Raum noch effektiver zu nutzen, rückt die Nummer 11 der blauen Mannschaft vom linken Flügel in die Halbspur, sodass die Nummer 3 frei andribbeln kann. Nun startet die Nummer 8 in den Rücken der gegnerischen 2 und wird per Steilpass hinter die Kette geschickt.
Da die Voraussetzungen für eine solche Ideallösung mit wenigen Ballaktionen nicht immer gegeben sind, haben Olde und sein Team noch weitere Lösungsmöglichkeiten erarbeitet:
Aufbauspiel im Training einstudieren
Ein gesunder Spielaufbau ist der Anfang vieler potenziell erfolgreicher Angriffe. Daher sollten Aufbaumuster und -möglichkeiten regelmäßig in das Mannschaftstraining eingebunden werden. Nachstehend präsentieren wir daher zwei Übungen aus dem St. Pauli-Training.
Der Beitrag über die Spieleröffnung des FC St. Pauli erschien in der Ausgabe 8/20 von Fußballtraining. Er enthält weitere Trainingsformen zur Verbindung der Handlungsschnelligkeit mit dem Torschuss. Die Ausgabe kann hier nachbestellt werden.
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