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S C H I E D S R I C H T E R -Z E I T U N G 4 / 2 0 1 6

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Lehrwesen

Sieben Fragen an Patrick Ittrich

Wenn der Auswechselspieler „entgegenkommt“

Die praktischen Fragen zum

aktuellen Lehrbrief-Thema

beantwortet dieses Mal Bun-

desliga-Schiedsrichter Patrick

Ittrich.

Herr Ittrich, Sie sind Bundes-

liga-Schiedsrichter und haben

damit im Vergleich zu vielen

Amateur-Schiedsrichtern noch

eine Zwischeninstanz zur Bank.

Wie viel bekommen Sie selbst

noch mit, gerade auch in Bezug

auf Auswechselspieler, und

wie viel übernimmt der Vierte

Offizielle?

Patrick Ittrich

: Es ist mitt-

lerweile schon so, dass sich

nicht nur Trainer und Offizi-

elle von Mannschaften über

Schiedsrichter-Entscheidungen

beschweren, sondern zuneh-

mend auch Auswechselspieler.

Insofern ist der Vierte Offizielle

bei uns natürlich äußerst

gefragt, und wir sind alle sehr

froh, dass es ihn gibt.

Würden Sie sagen, dass sich

das Verhalten von Auswechsel-

spielern auf der Bank in den

vergangenen Jahren verändert

hat?

Ittrich

: Ich will es mal so

ausdrücken: Das Verhalten

auf der Bank ist grundsätzlich

schwieriger geworden. Es wird

mehr protestiert als in den

vergangenen Jahren, zum Teil

auch in einer anderen Art und

Weise.

Natürlich gehören Emotionen

zum Fußball dazu, und die

sollen auch in einem gewissen

Rahmen zugelassen werden.

Trotzdem, wenn Mimik, Gestik

und Aussprache in einer Pro-

test-Situation – auch und zum

Teil insbesondere bei Auswech-

selspielern – diesen Rahmen

verlassen, dann müssen wir

einschreiten und zunächst einmal

verbal tätig werden.

Wenn verbale Maßnahmen nicht

mehr nützen, dann kommen

im Regelfall die Persönlichen

Strafen. Ist es bei Ihnen schon

vorgekommen, dass Sie Aus-

wechselspieler mit Persönlichen

Strafen belegen mussten?

Ittrich

: Ein Feldverweis war bei

mir bislang nicht dabei. Aber,

und das ist ganz wichtig: Es ist ja

nicht nur der Auswechselspieler

auf der Bank, der unsportlich

agieren kann, sondern auch der

Auswechselspieler, der sich ne-

ben dem eigenen Tor warm läuft.

Wenn so einer beispielsweise

in „Rudelbildungen“ nahe der

Torauslinie mitmischt, dann muss

der Schiedsrichter aufmerksam

sein und auch solch einen Spieler

verwarnen.

Neue Situation: Spielerwechsel

in einer Verbandsklasse, sagen

wir: der Landesliga. Welche Tipps

würden Sie einem jungen Assis-

tenten beim Auswechselvorgang

geben?

Ittrich

: Man sollte immer im

Hinterkopf haben, wann ein

Spielerwechsel wirklich vollzo-

gen ist. Hier ist volle Aufmerk-

samkeit gefragt! Das geht bis

zu Sonderfällen, bei denen ein

eingewechselter Spieler einen

Einwurf ausführen will – natür-

lich muss er dafür zunächst den

Platz betreten haben. Ansonsten

kommt es natürlich öfter mal vor,

dass einzuwechselnde Spieler zu

früh aufs Feld laufen. Hier würde

ich den Kollegen an der Basis

raten, vom Ermessens-Spielraum

Gebrauch zu machen. Wenn

ein Einwechselspieler seinem

Mitspieler wirklich nur ein bis

zwei Meter „entgegenkommt“,

dann ist das sicherlich noch kein

Grund, diesem Spieler hinter-

her zu laufen. Wenn ein Spieler

andererseits deutlich zu früh und

zu weit auf den Platz läuft, dann

ist er zu verwarnen.

Noch eine Frage aus der Grau-

zone des Amateur-Bereichs:

Gerade in unteren Klassen kommt

es öfter vor, dass Trainer dem

Schiedsrichter sagen: „Sag mir

Bescheid, wenn mein Spieler

‚Gelb/Rot’-gefährdet ist, dann

wechsel‘ ich ihn aus, bevor du es

tust.“ Was halten Sie davon?

Ittrich

: Das ist eine schwierige

Frage. Da wird natürlich häufig

das sogenannte Fingerspitzen-

gefühl eingefordert. Das Problem

dabei ist nur, dass viele

Mannschaften das nur für

sich selbst beanspruchen.

Es kommt ja nicht gerade

häufig vor, dass ein Trainer

zum Schiedsrichter kommt

und sagt: „Wenn ein Spieler

der gegnerischen Mannschaft

‚Gelb/Rot‘-gefährdet ist, sagen

Sie doch bitte meinem Kollegen

Bescheid.“ Insofern sollte man

als Schiedsrichter immer eine

gewisse Genauigkeit an den

Tag legen - trotzdem kennt

vermutlich jeder diese Fälle

aus der Praxis und wird sich

dann situativ ein eigenes

Urteil bilden.

In einigen Kreisligen gibt es

inzwischen Pilotprojekte, bei

denen ausgewechselte Spieler

wieder eingewechselt werden

können. Was halten Sie von

der Idee?

Ittrich

: Grundsätzlich wüsste

ich erst einmal nicht, was

dagegen sprechen könnte.

Die Frage ist höchstens für

die Vereine, ob man sich

wirklich einen Gefallen damit

tut, wenn ausgelaugte Spieler

wieder eingewechselt werden.

Für mich als Schiedsrichter

macht es allerdings keinen

Unterschied, ob ein neuer

Spieler kommt oder einer,

der zuvor bereits mitgespielt

hat.

Es sei denn, der Spieler war

vorher problematisch…

Ittrich

: (lacht) Klar. Wenn

es natürlich ein Spieler ist,

der einen das ganze Spiel

beschäftigt hat und bei dem

man sich freut, dass durch die

Auswechslung vielleicht ein

Feldverweis verhindert wurde,

dann würde ich denken: Oh je,

jetzt kommt der wieder, und

das Ganze geht von vorne los.

Patrick Ittrich aus Hamburg

kommt seit Jahresbeginn als

Schiedsrichter in der Bundes-

liga zum Einsatz.