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S C H I E D S R I C H T E R -Z E I T U N G 4 / 2 0 1 6

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sich mit besonderen Spielregeln

vom Rugby lossagten, sorgten sie

nicht zuletzt mit der Festlegung

der Spielerzahl pro Mannschaft

für Chancengleichheit. Bereits

wenige Jahre nach der Heraus-

gabe der ursprünglichen Spiel-

regeln wurde diese Mannschafts-

stärke mit elf Spielern festgelegt.

Den Begriff „Auswechselspieler“

gab es damals noch nicht. Nur

beim Eishockey, beim Handball,

Basketball und einigen anderen

Mannschafts-Sportarten waren

Spielerwechsel möglich. Beim

Fußball blieben die Reserve-Spie-

ler Zuschauer, gleich ob ein

Spieler einen schwachen Tag

hatte oder jemand verletzt wurde.

Doch wo blieb die angesprochene

Chancengleichheit, wenn ein

Angreifer bei einem Foul eines

Abwehrspielers so schwer verletzt

wurde, dass er nicht mehr am

Spiel teilnehmen konnte, sein Ge-

genspieler nur eine Verwarnung

bekam und auf dem Spielfeld

blieb? Zu Unrecht war eine Mann-

schaft jetzt dezimiert.

Für die Regelwächter der FIFA

zählten solche Überlegungen

zunächst nicht. Für sie galt im

Fußball bis 1965 das schon his-

torische „Elf Freunde müsst ihr

sein“. Hieraus entstand eine

Fußball-Philosophie, die dazu

führte, dass selbst verletzte

Spieler bis zur letzten Minute

durchhielten, um ihre Mann-

schaftskameraden nicht im Stich

zu lassen.

Wolfgang Weber vom 1. FC Köln

erlebte dieses Szenario beim

Viertelfinalspiel 1965 im Europa-

pokal der Landesmeister gegen

den englischen Meister FC Liver-

pool. Der Abwehrspieler aus

der Domstadt brach sich in der

ersten Halbzeit das Wadenbein

und spielte bis zum Abpfiff weiter,

da ein Spielerwechsel noch

nicht erlaubt war. Wenig später

beschloss die englische Liga,

M

anchmal passieren sie eben

doch: die Situationen, die man

als Schiedsrichter vom Lernen

der Regel-Fragen zwar kennt, die

man in der Realität aber kaum für

möglich halten mag.

So kam es zum Beispiel im Spiel

der NRW-Liga zwischen Viktoria

Köln und dem KFC Uerdingen im

Jahr 2012 zur folgenden Szene:

Der Ball rollte auf das Kölner

Tor zu, der Keeper war bereits

geschlagen. Ein Kölner Auswech-

selspieler, der sich unmittelbar

neben dem Tor aufwärmte,

erkannte die Gefahr. Im letzten

Moment machte er zwei Schritte

aufs Spielfeld und beförderte den

Ball gerade noch von der Linie.

Damit verhinderte er das sichere

Gegentor – und löste zugleich auf

dem Rasen einen Proteststurm

aus.

Eine solche Szene zeigt, wie

wichtig eine sichere Regelkennt-

nis beim Schiedsrichter ist: Der

Unparteiische zeigte dem Aus-

wechselspieler damals die Rote

Karte – zu Unrecht.

Laut Regelwerk hätte es den

Platzverweis nur gegeben, wenn

der Auswechselspieler zur Tor-

verhinderung zum Beispiel seine

Hand benutzt hätte. So aber wäre

„Gelb“ richtig gewesen.

***

Im offiziellen Regelwerk gehört

die „Zahl der Spieler“ in Verbin-

dung mit dem „Spielerwechsel“

zur Regel 3. In den Anfangstagen

des Fußballspiels durften noch 15

bis 20 Spieler in jedem Team mit-

wirken. Wichtig war nur, dass auf

beiden Seiten die gleiche Anzahl

eingesetzt wurde.

Denn als die Urväter des Fußball-

spiels in England den modernen

Fußball auf den Weg brachten und

Der Ersatzspieler greift ein

Die Regel zum Spielerwechsel hat schon einige Änderungen miterlebt:

Waren in den Anfangszeiten noch keine Wechsel erlaubt, dürfen heutzu-

tage drei Akteure pro Team getauscht werden. SRZ-Mitarbeiter Günther

Thielking stellt den aktuellen DFB-Lehrbrief Nr. 67 vor, der den Auswech-

selspieler in den Fokus nimmt.

Lehrwesen

Vorbildliche Auswechslung: Auf Höhe der Mittellinie wartet der einzuwechselnde Spieler so

lange mit dem Spieleintritt ab, bis sein Mitspieler den Platz verlassen hat.