S C H I E D S R I C H T E R -Z E I T U N G 4 / 2 0 1 6
26
sich mit besonderen Spielregeln
vom Rugby lossagten, sorgten sie
nicht zuletzt mit der Festlegung
der Spielerzahl pro Mannschaft
für Chancengleichheit. Bereits
wenige Jahre nach der Heraus-
gabe der ursprünglichen Spiel-
regeln wurde diese Mannschafts-
stärke mit elf Spielern festgelegt.
Den Begriff „Auswechselspieler“
gab es damals noch nicht. Nur
beim Eishockey, beim Handball,
Basketball und einigen anderen
Mannschafts-Sportarten waren
Spielerwechsel möglich. Beim
Fußball blieben die Reserve-Spie-
ler Zuschauer, gleich ob ein
Spieler einen schwachen Tag
hatte oder jemand verletzt wurde.
Doch wo blieb die angesprochene
Chancengleichheit, wenn ein
Angreifer bei einem Foul eines
Abwehrspielers so schwer verletzt
wurde, dass er nicht mehr am
Spiel teilnehmen konnte, sein Ge-
genspieler nur eine Verwarnung
bekam und auf dem Spielfeld
blieb? Zu Unrecht war eine Mann-
schaft jetzt dezimiert.
Für die Regelwächter der FIFA
zählten solche Überlegungen
zunächst nicht. Für sie galt im
Fußball bis 1965 das schon his-
torische „Elf Freunde müsst ihr
sein“. Hieraus entstand eine
Fußball-Philosophie, die dazu
führte, dass selbst verletzte
Spieler bis zur letzten Minute
durchhielten, um ihre Mann-
schaftskameraden nicht im Stich
zu lassen.
Wolfgang Weber vom 1. FC Köln
erlebte dieses Szenario beim
Viertelfinalspiel 1965 im Europa-
pokal der Landesmeister gegen
den englischen Meister FC Liver-
pool. Der Abwehrspieler aus
der Domstadt brach sich in der
ersten Halbzeit das Wadenbein
und spielte bis zum Abpfiff weiter,
da ein Spielerwechsel noch
nicht erlaubt war. Wenig später
beschloss die englische Liga,
M
anchmal passieren sie eben
doch: die Situationen, die man
als Schiedsrichter vom Lernen
der Regel-Fragen zwar kennt, die
man in der Realität aber kaum für
möglich halten mag.
So kam es zum Beispiel im Spiel
der NRW-Liga zwischen Viktoria
Köln und dem KFC Uerdingen im
Jahr 2012 zur folgenden Szene:
Der Ball rollte auf das Kölner
Tor zu, der Keeper war bereits
geschlagen. Ein Kölner Auswech-
selspieler, der sich unmittelbar
neben dem Tor aufwärmte,
erkannte die Gefahr. Im letzten
Moment machte er zwei Schritte
aufs Spielfeld und beförderte den
Ball gerade noch von der Linie.
Damit verhinderte er das sichere
Gegentor – und löste zugleich auf
dem Rasen einen Proteststurm
aus.
Eine solche Szene zeigt, wie
wichtig eine sichere Regelkennt-
nis beim Schiedsrichter ist: Der
Unparteiische zeigte dem Aus-
wechselspieler damals die Rote
Karte – zu Unrecht.
Laut Regelwerk hätte es den
Platzverweis nur gegeben, wenn
der Auswechselspieler zur Tor-
verhinderung zum Beispiel seine
Hand benutzt hätte. So aber wäre
„Gelb“ richtig gewesen.
***
Im offiziellen Regelwerk gehört
die „Zahl der Spieler“ in Verbin-
dung mit dem „Spielerwechsel“
zur Regel 3. In den Anfangstagen
des Fußballspiels durften noch 15
bis 20 Spieler in jedem Team mit-
wirken. Wichtig war nur, dass auf
beiden Seiten die gleiche Anzahl
eingesetzt wurde.
Denn als die Urväter des Fußball-
spiels in England den modernen
Fußball auf den Weg brachten und
Der Ersatzspieler greift ein
Die Regel zum Spielerwechsel hat schon einige Änderungen miterlebt:
Waren in den Anfangszeiten noch keine Wechsel erlaubt, dürfen heutzu-
tage drei Akteure pro Team getauscht werden. SRZ-Mitarbeiter Günther
Thielking stellt den aktuellen DFB-Lehrbrief Nr. 67 vor, der den Auswech-
selspieler in den Fokus nimmt.
Lehrwesen
Vorbildliche Auswechslung: Auf Höhe der Mittellinie wartet der einzuwechselnde Spieler so
lange mit dem Spieleintritt ab, bis sein Mitspieler den Platz verlassen hat.