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Lehrwesen
S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 6 / 2 0 1 5
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er Torwart zählt zu den Indivi-
dualisten in einer Mannschaft.
So wie der Schiedsrichter kann er
immer dann zum einsamsten
Akteur auf dem Spielfeld werden,
wenn ihm ein spielentscheidender
Fehler unterläuft.
Lange Jahre waren die Männer
zwischen den Pfosten die „Tor-
wächter“, die ihre Position nicht
verlassen durften und mit gekonn-
ten Paraden auf der Linie glänzten.
Erst in den 60er-Jahren widerlegte
Petar „Radi“ Radenkovi´c von den
Münchener Löwen als einer der
ersten Keeper in Deutschland mit
seinem Auftreten diese spieltakti-
sche Ausrichtung. Oft verließ er
wie ein Feldspieler sein Tor, um
den Ball über die Strafraumgrenze
hinaus bis ins Mittelfeld zu drib-
beln.
An die Gefahr für das eigene Tor,
wenn ein solcher Ball einmal vom
Gegner abgefangen wurde, dachte
er nicht. Zum Glück für Radenkovi´c
gab es zu der Zeit noch nicht die
„Dreifach-Bestrafung“, wenn er in
solch einer Situation einmal zu
einer „Notbremse“ gegriffen hätte.
Erst in den vergangenen Jahren
wurde zunehmend deutlich, dass
die Rolle des Torwarts als „mit-
spielender elfter Mann" inzwi-
schen völlig neu definiert wird.
Schlagworte wie „Strafraum-
Beherrschung“ und „der Torwart
spielt mit“ zeigen auf, dass sich
das Torwartspiel erkennbar verän-
dert hat.
Manuel Neuer sorgte bei der Fuß-
ball-WM in Brasilien für solche
Schlagzeilen. Im Spiel Deutschland
gegen Algerien kam er oft so weit
aus dem Tor heraus, dass er von
den Kommentatoren schon als
zusätzlicher Feldspieler gesehen
wurde.
Parallel zu dieser veränderten tak-
tischen Torwartrolle glich der
International Football Association
Board (IFAB) die Spielregeln bezüg-
lich des Torwartspiels mehrfach
dem aktuellen Geschehen an.
So genießt der Keeper zwar nach
wie vor einige Sonderrechte, die
ihm vor allem in Regel 12 gegeben
Spielender Torwart: Das Einsatzgebiet von Manuel Neuer geht oft über die Strafraum-
grenze hinaus.
Im Vergleich zu den Feldspielern genießt der Torwart innerhalb des eigenen Strafraums
besondere Rechte – allerdings auch nicht alle Freiheiten. „Der Torwart im Mittelpunkt des
Geschehens“ lautet der Titel des aktuellen DFB-Lehrbriefs Nr. 63. Günther Thielking stellt den
Inhalt dieser Lehreinheit vor.
Die Rolle des Torwarts
werden. Gleichzeitig werden ihm
aber auch Pflichten auferlegt, die
regeltechnische Bestimmungen
betreffen und seinen privilegierten
Aktionsradius im Spiel einschrän-
ken.
Ausgehend von der Brisanz, die
sich damit ergibt und bei der es
auch für die Schiedsrichter im
Zusammenhang mit dem Gesche-
hen rund um den Torhüter geht,
bearbeitet der Lehrbrief 63 des-
halb das Thema „Der Torwart im
Mittelpunkt des Geschehens“. In
den darin dargestellten Vorschlä-
gen für eine abwechslungsreiche
Lehrarbeit sprechen die Verfasser
vier Schwerpunkte an:
•
Die grundsätzlichen Rechte
und Pflichten des Torwarts
•
Vergehen durch den Torwart
•
Vergehen gegen den Torwart
•
Der Torwart bei der Strafstoß-
Ausführung (einschließlich
„Elfmeterschießen“)
Hinweise auf die besondere
Stellung des Torhüters gibt es
in den Regeln 3 und 4. Dort wird
davon gesprochen, dass zu