Teil 4: Es läuft noch nicht rund
Eine Einheit bilden
Im Mannschaftssport ist der Gruppenzusammenhalt bekanntlich ein wesentlicher Faktor für den sportlichen Erfolg. Heißt: Umso ausgeprägter er ist, desto erfolgreicher agiert das Team. Daher war eines unserer Ziele während der Vorbereitung, die (sozialen) Strukturen innerhalb der Mannschaft zu stärken und den Teamgeist zu fördern. Schließlich ist ein gesundes Teambewusstsein auch ein wichtiger Stabilisator, wenn die Erfolge mal ausbleiben. Ein Szenario, dem wir hinsichtlich unserer schweren Qualifikationsrunde eine relativ hohe Wahrscheinlichkeit attestieren müssen.
Unser Weg
Ein wichtiger Baustein in diesem Prozess ist die Entwicklung einer gemeinsamen Spielidee, mit der sich alle Spieler identifizieren können. Dafür haben wir frühzeitig die verschiedenen Spielphasen aufgeschlüsselt, Prinzipien formuliert, diese trainiert und in den Testspielen eingefordert. Im Training konfrontieren wir die Spieler immer wieder mit Situationen, die sie nur lösen können, wenn die Kommunikation untereinander und die gemeinsame Ausführung optimal ist. So müssen zum Beispiel die verteidigenden Spieler innerhalb eines Rondos den Gegner in bestimmte Zonen lenken, um ihre Unterzahl auszugleichen. Für das Gelingen sind die formulierten defensiven Prinzipien der gemeinsame Ausgangspunkt, der allen Orientierung und Sicherheit bietet.
Eine funktionierende Mannschaft definiert sich jedoch nicht nur über eine einheitliche Spielphilosophie und verinnerlichte taktische Muster. Darüber hinaus ist auch von Bedeutung, dass sie auf und neben dem Platz eine Einheit darstellt. Hierfür eignen sich normalerweise kurzweilige Teamaktivitäten wie ein Grillabend oder der Besuch eines Bowling-Centers. Doch wir leben derzeit nicht in normalen Zeiten! Daher haben wir teambildende Maßnahmen ins Training integriert und für die ersten fünf Vorbereitungswochen den Wettbewerb „Trainer gegen Spieler“ ins Leben gerufen: Die Spieler mussten in jeder Einheit eine Challenge bewältigen und die gestellten Vorgaben erfüllen. Zu diesen Herausforderungen gehörten neben fußballspezifischen Aufgaben wie Zielschießen oder Ballgeschicklichkeit auch sportartfremde Aufgaben. Der Wettbewerb fand großen Anklang und die Jungs waren voller Eifer dabei. Zum Nachteil unserer Geldbörse, denn wir Trainer müssen nun eine Runde Eis ausgeben.
Plan vs. Realität
Doch der Plan und die Realität weichen ja leider oftmals voneinander ab. So auch bei uns. Die Stimmung ist zwar gut, aber vom Gefühl her, sind wir als Team noch nicht eng genug zusammengewachsen. Das größte Problemquelle ist die stetige Veränderung des Kaders, die sich durch die gesamte Vorbereitung zog. So haben Spieler mit dem Fußballspielen aufgehört, während immer wieder neue hinzukamen. Dazu hatten wir zwei Spieler aus der U17 zu integrieren, die nun einmal die Woche bei uns trainieren und an den Wochenenden vorerst fester Bestandteil unseres Kaders sind. Sie hängen also etwas zwischen den Stühlen, sehen sich aber verständlicherweise eher als Teil der U17 an. Auch die offene Torhüterposition, unser Sorgenkind, wurde bislang von drei Spielern aus drei Mannschaften besetzt. Zu diesen suboptimalen Rahmenbedingungen gesellte sich noch die Ferien-Problematik: In der Urlaubszeit standen uns nur wenige Spieler zur Verfügung. So konnten wir in der schulfreien Zeit nur mit höchstens 14 Spielern, meist in unterschiedlicher Konstellation, aus unserem bis zu 23 Mann großen Kader trainieren. Um uns als Team bestmöglich einzuspielen, wollten wir bis zum Saisonstart mehr erreichen. Zum Pflichtspielauftakt hatte ein Teil des Teams bereits fünf Wochen Training mit zehn Trainingseinheiten und drei Testspielen absolviert, während manch anderer Spieler gerade erst ins Training einstieg. Dementsprechend unterschiedlich sind auch die Vertrautheit untereinander und der Kenntnisstand der Trainingsinhalte. Was heißt das für unsere weitere Planung? Dranbleiben und das Thema „Teambuilding“ weiterhin hoch priorisieren!
Die Zeit wartet nicht
Trotz der genannten Probleme blicken wir positiv auf die Vorbereitung zurück. Zwar kassierten wir im dritten und letzten Testspiel noch eine 3:5-Niederlage gegen den SC Füchtorf, konnten jedoch einige taktische Punkte umsetzen, die wir im Training zuvor thematisiert hatten. Bereits eine Woche später startete unser Ligabetrieb: Zum Auftakt verloren wir mit 0:4 gegen den Titelfavoriten SG Telgte, worauf eine unglückliche 1:2-Niederlage (Gegentor in der Nachspielzeit) gegen den BSV Ostbevern folgte. Die wichtigste Erkenntnis aus beiden Spielen: Wir müssen Trainingszeit, die ohnehin knapp bemessen ist, für unsere Standards aufbringen. Denn vier der Gegentore fielen nach einem ruhenden Ball.
Aktueller Schwerpunkt: Das Spiel mit dem Ball
Generell wollen wir einen proaktiven Spielstil etablieren. Das bedeutet, dass wir über ein konsequent flaches Angriffsspiel sowie mit intensivem Pressing und Gegenpressing alle Phasen des Spiels bestimmen. Um dies zu erreichen, trainieren wir fast ausschließlich in Spielformen. So lässt sich der gewünschte Spielstil aus unserer Sicht am besten vermitteln. Nachdem wir zunächst defensive Verhaltensweisen thematisiert haben, ist mittlerweile der Ballbesitz in den Fokus gerückt.
Dies ist eine vorbereitende Spielform für das Ausspielen der Überzahl im Spielaufbau. Ziel der Angreifer ist es, einen Spieler in der Endzone so freizuspielen, dass die Überzahl durch Andribbeln von der ersten in die zweite Ebene übertragen werden kann. Dies wird beispielsweise durch eine schnelle Passfolge gegen die Verschiebebewegung des Gegners erreicht. Nach dem Übertrag in die nächste Zone gilt es, die geschaffene Überzahl erneut auszuspielen. Eine Aufgabe des jeweiligen Ballbesitzers ist etwa das Anlocken eines gegnerischen Spielers, um den eigenen Mitspieler von dessen Druck zu befreien, ihn so anspielbar zu machen und ihm Raum und Zeit für seine Folgeaktion zu verschaffen. Als Beispiel sei hier das Andribbeln genannt.
Im Prinzip handelt es sich hierbei um eine Spielform, in der es zunächst darum geht, die eigene Überzahl auszuspielen und in Ballbesitz zu bleiben. Die ballbesitzende Mannschaft muss aber stets überprüfen, ob ein Spiel in die Tiefe möglich ist oder der Ball stattdessen weiter durch die eigenen Reihen zirkulieren muss. Damit eine Verlagerung von einer auf die andere Seite möglich ist, bedarf es eines hohen Spieltempos, welches wiederum von Faktoren wie z.B. der Handlungsschnelligkeit sowie der Positionierung im Raum und zum Ball abhängig ist. Aber auch für die verteidigende Mannschaft gestaltet sich die Spielform anspruchsvoll. Schließlich darf sie sich nicht damit begnügen, einfach einen bestimmten Raum zu verteidigen, da die Spielrichtung schnell wechseln kann. Das macht eine gute Organisation sowie eine entsprechende Laufbereitschaft unabdingbar. Im ersten Durchgang hatte die Ballbesitzmannschaft die Tendenz, den Neutralen am Ball zuzulaufen, wodurch der bespielbare Raum sehr klein wurde. Da sich die Spieler mitunter noch geschlossen in Spielrichtung positionierten, blieb häufig auch nur die Möglichkeit, wieder zum Neutralen klatschen zu lassen. In der Folge wurde der Raum dann noch enger. Durch fragendes Coaching in der ersten Pause (Was ist das Problem in Ballbesitz? Wie können wir es lösen? Welche Positionierung würde es uns erlauben, schneller zu spielen?) gelang es der Mannschaft aber, sich selbst Wege aus der Enge und in die Tiefe zu eröffnen. Und im dritten Durchgang durfte ich schließlich sogar eine Steil-Klatsch-Steil-Kombination bestaunen.