Table of Contents Table of Contents
Previous Page  15 / 36 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 15 / 36 Next Page
Page Background

S C H I E D S R I C H T E R -Z E I T U N G 4 / 2 0 1 6

15

mission muss nicht bedeuten,

dass ich zukünftig die Hände in

den Schoß lege. Aber sechs Jahre

in der direkten Verantwortung

des Schiedsrichter-Profi-Bereichs

sind genug. In der Erkenntnis,

dass wir in dieser Zeit viel

bewegt haben, jetzt aber neue

Impulse folgen müssen, trete ich

zur Seite und überlasse das Feld

anderen Kollegen, die für die

Schiedsrichter in der Bundesliga

ab der kommenden Saison Ver-

antwortung übernehmen werden.

Über die „wahren Gründe“ Ihres

Rücktritts wurde Anfang des

Jahres in den Medien spekuliert,

von einem internen Machtkampf

war sogar die Rede. Wie kontro-

vers wird eigentlich hinter den

Kulissen diskutiert?

Fandel

: Während der sechs

Jahre hatte ich eigentlich immer

das Gefühl, dass wir auf dem

richtigen Weg sind. Unterschied-

liche Auffassungen über einzelne

Sachverhalte oder Auslegungen

von Spielszenen im Fußball

waren für mich nie ein Pro-

blem. Mir ist eine vertrauens-

volle, aber kritische Zusammen-

arbeit viel lieber, als wenn ich

umgeben wäre von Mitarbeitern,

die meine Meinung immer nur

bestätigen.

Wie anstrengend empfanden

Sie die sechs Jahre Funktionärs-

Tätigkeit – auch im Vergleich zu

Ihrer Aktivenzeit?

Fandel

: Nach meinem Karriere-

Ende ging ich eigentlich davon

aus, dass diese vielen Jahre auf

nationalem und internationalem

Top-Niveau die schwierigste

Zeit in meinem Leben darstellen

würden. Diese Einschätzung muss

ich nach den sechs Jahren in der

Verantwortung für unsere Elite-

Schiedsrichter nun revidieren:

Die Zeit als Sportlicher Leiter war

eindeutig der anspruchsvollste

Fandel

: Zu diesen Momenten

zählen in erster Linie die

menschlichen Verbindungen zu

meinen Schiedsrichtern. Ich bin

persönlich sehr froh darüber,

dass das Verhältnis sowohl zu

den Kollegen in beiden Schieds-

richter-Kommissionen als auch

zu den Schiedsrichtern exzellent

ist und ich meine Arbeit selbst-

bestimmt und mit positiven

Gedanken an diese Zeit beende.

Was haben Sie für Deutschlands

Spitzen-Schiedsrichter während

Ihrer Amtszeit rückblickend

bewirken können? Was bleibt am

Ende von der – vergleichsweise

kurzen – „Ära Fandel“?

Fandel

: Wenn man genauer

hinsieht, was sich seit 2010 in der

Struktur der Schiedsrichter in

Deutschland verändert hat, wird

man staunen: Es begann damit,

dass wir die Führung der Schieds-

richter frei von Verbands-Abhän-

gigkeiten orientiert haben, sodass

an der Spitze nun eine Kommission

unabhängiger Experten steht. Die

finanziellen Rahmenbedingungen

für die Schiedsrichter haben sich

völlig verändert, die persönliche

Betreuung durch Coaches ist viel

individueller als noch vor ein paar

Jahren.

Nach innen haben wir eine

moderne Weiterbildungs-Struktur

geschaffen: Jeder Unparteiische

hat nun seinen persönlichen

Online-Lernbereich, in dem er

seine eigenen Spielleitungen, nach

Szenen und Themenbereichen

geordnet, gezielt abrufen und

nacharbeiten kann. Durch die

Trainingslager in Grassau im Som-

mer und auf Mallorca im Winter

haben wir deutlich professionel-

lere Rahmenbedingungen für den

Trainingsbereich geschaffen, eine

physiotherapeutische Betreuung in

den Stadien für jedes Bundesliga-

spiel wurde eingerichtet und noch

Vieles mehr.

Trotz der Professionalisierung

unterlaufen den Unparteiischen

auch heute noch genauso Fehler

wie vorherigen Schiedsrichter-

Generationen...

und schwierigste Job, den ich in

meinem Leben bisher hatte.

Warum?

Fandel

: Im Prinzip leitete ich

eine „Firma“ mit 80 völlig

unterschiedlichen Charakteren,

Menschen, die über viele Jahre

hinweg durch ihr Können und

ihr Talent den Weg an die Spitze

der deutschen Schiedsrichter

geschafft haben. Wie alle Leis-

tungssportler verfolgen dabei

auch Schiedsrichter zu allererst

ihre eigenen, individuellen

Interessen. Der Teamgeist ist wie

überall aber von entscheidender

Bedeutung, und so war es mein

Bestreben, unseren Unpartei-

ischen Orientierung und Ziele

zu vermitteln. Dies war eine

schwierige Aufgabe und wird es

immer bleiben.

Gab es auch schöne Momente,

an die Sie gerne denken?

richtigen Gleis”

Die Öffentlichkeit sollte mit Fehlern von Schiedsrichtern vergleichbar tolerant umgehen wie

mit Fehlern von Spielern, fordert Herbert Fandel.