S C H I E D S R I C H T E R -Z E I T U N G 4 / 2 0 1 6
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mission muss nicht bedeuten,
dass ich zukünftig die Hände in
den Schoß lege. Aber sechs Jahre
in der direkten Verantwortung
des Schiedsrichter-Profi-Bereichs
sind genug. In der Erkenntnis,
dass wir in dieser Zeit viel
bewegt haben, jetzt aber neue
Impulse folgen müssen, trete ich
zur Seite und überlasse das Feld
anderen Kollegen, die für die
Schiedsrichter in der Bundesliga
ab der kommenden Saison Ver-
antwortung übernehmen werden.
Über die „wahren Gründe“ Ihres
Rücktritts wurde Anfang des
Jahres in den Medien spekuliert,
von einem internen Machtkampf
war sogar die Rede. Wie kontro-
vers wird eigentlich hinter den
Kulissen diskutiert?
Fandel
: Während der sechs
Jahre hatte ich eigentlich immer
das Gefühl, dass wir auf dem
richtigen Weg sind. Unterschied-
liche Auffassungen über einzelne
Sachverhalte oder Auslegungen
von Spielszenen im Fußball
waren für mich nie ein Pro-
blem. Mir ist eine vertrauens-
volle, aber kritische Zusammen-
arbeit viel lieber, als wenn ich
umgeben wäre von Mitarbeitern,
die meine Meinung immer nur
bestätigen.
Wie anstrengend empfanden
Sie die sechs Jahre Funktionärs-
Tätigkeit – auch im Vergleich zu
Ihrer Aktivenzeit?
Fandel
: Nach meinem Karriere-
Ende ging ich eigentlich davon
aus, dass diese vielen Jahre auf
nationalem und internationalem
Top-Niveau die schwierigste
Zeit in meinem Leben darstellen
würden. Diese Einschätzung muss
ich nach den sechs Jahren in der
Verantwortung für unsere Elite-
Schiedsrichter nun revidieren:
Die Zeit als Sportlicher Leiter war
eindeutig der anspruchsvollste
Fandel
: Zu diesen Momenten
zählen in erster Linie die
menschlichen Verbindungen zu
meinen Schiedsrichtern. Ich bin
persönlich sehr froh darüber,
dass das Verhältnis sowohl zu
den Kollegen in beiden Schieds-
richter-Kommissionen als auch
zu den Schiedsrichtern exzellent
ist und ich meine Arbeit selbst-
bestimmt und mit positiven
Gedanken an diese Zeit beende.
Was haben Sie für Deutschlands
Spitzen-Schiedsrichter während
Ihrer Amtszeit rückblickend
bewirken können? Was bleibt am
Ende von der – vergleichsweise
kurzen – „Ära Fandel“?
Fandel
: Wenn man genauer
hinsieht, was sich seit 2010 in der
Struktur der Schiedsrichter in
Deutschland verändert hat, wird
man staunen: Es begann damit,
dass wir die Führung der Schieds-
richter frei von Verbands-Abhän-
gigkeiten orientiert haben, sodass
an der Spitze nun eine Kommission
unabhängiger Experten steht. Die
finanziellen Rahmenbedingungen
für die Schiedsrichter haben sich
völlig verändert, die persönliche
Betreuung durch Coaches ist viel
individueller als noch vor ein paar
Jahren.
Nach innen haben wir eine
moderne Weiterbildungs-Struktur
geschaffen: Jeder Unparteiische
hat nun seinen persönlichen
Online-Lernbereich, in dem er
seine eigenen Spielleitungen, nach
Szenen und Themenbereichen
geordnet, gezielt abrufen und
nacharbeiten kann. Durch die
Trainingslager in Grassau im Som-
mer und auf Mallorca im Winter
haben wir deutlich professionel-
lere Rahmenbedingungen für den
Trainingsbereich geschaffen, eine
physiotherapeutische Betreuung in
den Stadien für jedes Bundesliga-
spiel wurde eingerichtet und noch
Vieles mehr.
Trotz der Professionalisierung
unterlaufen den Unparteiischen
auch heute noch genauso Fehler
wie vorherigen Schiedsrichter-
Generationen...
und schwierigste Job, den ich in
meinem Leben bisher hatte.
Warum?
Fandel
: Im Prinzip leitete ich
eine „Firma“ mit 80 völlig
unterschiedlichen Charakteren,
Menschen, die über viele Jahre
hinweg durch ihr Können und
ihr Talent den Weg an die Spitze
der deutschen Schiedsrichter
geschafft haben. Wie alle Leis-
tungssportler verfolgen dabei
auch Schiedsrichter zu allererst
ihre eigenen, individuellen
Interessen. Der Teamgeist ist wie
überall aber von entscheidender
Bedeutung, und so war es mein
Bestreben, unseren Unpartei-
ischen Orientierung und Ziele
zu vermitteln. Dies war eine
schwierige Aufgabe und wird es
immer bleiben.
Gab es auch schöne Momente,
an die Sie gerne denken?
richtigen Gleis”
Die Öffentlichkeit sollte mit Fehlern von Schiedsrichtern vergleichbar tolerant umgehen wie
mit Fehlern von Spielern, fordert Herbert Fandel.