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David Bittner
Das Amt des Sportlichen Leiters in der Elite hat Herbert
Fandel zwar vor einem Jahr abgegeben, die Gesamt-Ver-
antwortung für das Schiedsrichter-Wesen trägt er aber
weiterhin. Im SRZ-Interview bewertet der Vorsitzende
des DFB-Schiedsrichter-Ausschusses die aktuelle Lage.
Herr Fandel, wie oft haben Sie Ihren Rück-
zug von der Spitze des Elite-Bereichs in
den vergangenen zwölf Monaten schon
bereut?
Noch keine Sekunde! Dies war eine sehr
gute Entscheidung, die entsprechend
vorbereitet war. Es war ein professioneller
und freundschaftlicher Übergang an Lutz
Michael Fröhlich, der ein exzellenter Nach-
folger ist. Ich selbst bin auch als Vorsitzen-
der der Gesamt-Struktur weiterhin nah am
Geschehen, ohne aber in die Entschei-
dungsprozesse direkt involviert zu sein. In
dieser Rolle fühle ich mich sehr wohl.
Was hat sich durch den personellenWech-
selanderSpitzedesElite-Bereichskonkret
geändert?
Zunächst einmal geht auch das neue Füh-
rungsteam den in den vergangenen Jahren
eingeschlagenen Weg weiter, setzt dabei
aber wie erhofft neueAkzente. LutzMichael
Fröhlich legt sehr viel Wert auf die persön-
liche Kommunikation mit jedem einzelnen
Schiedsrichter – das ist zeitintensiv, aber
zielführend. Insbesondere aber hat man
sich in der Führung noch breiter aufgestellt
und zusätzliche Fachleute mit ins Boot
genommen – ähnlich wie in einem Trainer-
stab, in dem es Experten für die einzelnen
Spezialgebiete gibt. Jan-Hendrik Salver
beispielsweise arbeitet jetzt intensiv mit
den Assistenten. Innerhalb der Lehrgänge
werden einige neue Schwerpunkte gesetzt,
die eine positive Wirkung erzielen, zudem
hat sich der Fitness- und Trainingsbereich
weiter professionalisiert. Durch diese
neuen Impulse wird die Modernisierung
des Schiedsrichter-Wesensweiter vorange-
trieben.
Ein Aspekt in diesem Zusammenhang ist
sicherlich auch die Einführungdes Video-
Assistenten inder Bundesliga. Inder kom-
menden Saison starten die sogenannten
Live-Tests. Wie zufrieden sind Siemit dem
Fortschritt bei diesem viel beachteten
Projekt?
Als wir uns imvergangenen Jahr für die Ein-
führung des sogenannten Video-Beweises
entschieden hatten, war es zugleich unser
Ziel, uns weltweit an die Spitze dieser Ent-
wicklung zu setzen. Wir wollten vorange-
henundnicht hinterherlaufen. Hellmut Krug
hat sich diesem Projekt angenommen und
inder zurückliegendenSaisonAußerordent-
liches geleistet. Alle Bundesliga-Schieds-
richter wurden von ihm intensiv geschult.
Wir sind wirklich prima vorbereitet, wenn
derVideo-Assistent inder kommendenBun-
desliga-Saison nun erstmals eingesetzt
wird.
War es aus ihrer Sicht eine gute Saison für
die Bundesliga-Schiedsrichter?
Die Schiedsrichter haben aus meiner Sicht
eine sehr gute Saison gepfiffen, wirklich
gravierende Fehlentscheidungenwarendie
großeAusnahme. Dass Einzel-Entscheidun-
gen – wie beim Relegationsspiel Wolfs-
burg gegen Braunschweig – öffentlich dis-
kutiert wurden, gab es deshalb nur selten.
Das gesamte Bundesliga-Teamhat ausmei-
ner Sicht einen sehr guten Job gemacht,
und auch die zahlreichen neuen, jungen
Schiedsrichter habensichwieerwartet naht-
los eingefügt.
Wo liegt eigentlich als Ausschuss-Vorsit-
zender inzwischen der Schwerpunkt Ihrer
Tätigkeit?
In der Elite bin ich für den internationalen
Bereich zuständig. Neben meinem Sitz in
der UEFA-Schiedsrichter-Kommission bin
und bleibe ich Ansprechpartner für unsere
Schiedsrichter. Weil ich nicht mehr unmit-
telbar ins Tagesgeschäft eingebunden bin,
habe ich die Möglichkeit, meine Erfahrung
zu nutzen, unseren Schiedsrichtern im
engen Austausch mit Lutz Michael Fröhlich
zusätzliche Impulse zugebenund ihreSpiel-
leitungen in Ruhe zu analysieren. Als Vor-
sitzender imDFB-Schiedsrichter-Ausschuss
ist es zudemmeineAufgabe, unsere beiden
KommissionenAmateureundElitebei ihren
Vorhaben und bei der Umsetzung von Stra-
tegien zu unterstützen, zu beraten und den
notwendigenAustauschbeider Gremien zu
begleiten. Mir macht diese Arbeit richtig
viel Freude.
Nachdem Sie im Jahr 2007 das Finale der
Champions League geleitet hatten, war
Felix Brych in diesem Jahr der erste deut-
sche Schiedsrichter, dem diese Ehre wie-
der zuteilwurde. Darüber hinauspfiff auch
nochBibiana Steinhaus indiesemJahr das
Finale der Frauen...
Die Nominierung für ein solches Endspiel
ist ein Höhepunkt in der Laufbahn eines
Schiedsrichters und das Ergebnis jahrelan-
ger harter Arbeit. Ein solches Finale ist dabei
eine der größten Auszeichnungen und
Erfolge, die ein Schiedsrichter erringen
kann. Für Felix Brych und Bibiana Steinhaus
persönlich, aber auch für das deutsche
Schiedsrichter-Wesen ist es eine tolleSache.
Man darf aber auch nicht vergessen, dass
gerade deutsche Schiedsrichter oft sehr
abhängig sind vom Abschneiden unserer
starken Nationalmannschaften und Klubs.
Aufgrund der Konstellationen konnten sie
manchmal über Jahre nicht in Endspielen
eingesetzt werden.
Bei der diesjährigen Frauen-Europameis-
terschaft imSommer indenNiederlanden
pfeifen mit Riem Hussein und Bibiana
Steinhaus gleich zwei DFB-Schiedsrichte-
rinnen...
Zwei deutsche Unparteiische bei demsel-
ben internationalen Frauen-Turnier – das
hat es in der Vergangenheit noch nicht
gegeben. Es zeigt, dass sich der Spitzenbe-
reich der Frauen enorm weiterentwickelt
hat. Die zielstrebige und professionelle
Arbeit zahlt sich auch hier aus.
Wie viel Optimismus haben Sie beimBlick
indieZukunft des deutschenSchiedsrich-
ter-Wesens?
Die Situation im Schiedsrichter-Bereich ist
sehr erfreulich, und unsere Personalpolitik
der vergangenen Jahre war bislang erfolg-
reich. Die tollen internationalen Ansetzun-
gen sind eine Bestätigung für den einge-
schlagenen Weg. In der Führung des
Elite-Bereichs sind wir jetzt breiter aufge-
stellt, und dies ist auch notwendig. An der
Schnittstelle zum Amateur-Bereich wird
unter der Leitung von Lutz Wagner und Rai-
ner Werthmann eine professionelle Nach-
wuchsarbeit betrieben. Deren Ziel ist es,
bereits frühzeitigdiejenigen Schiedsrichter
zu erkennen, die das Potenzial für höhere
Aufgaben haben – und davon haben wir in
Deutschland eine ganze Menge. Unsere
Amateur-Kommissionunter der Leitungvon
Helmut Geyer arbeitet ebenfalls sehr enga-
giert und zielführend. Deshalb bin ich ins-
gesamt sehr optimistisch, was die Zukunft
betrifft.
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