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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 4 / 2 0 1 4
Da ist er wieder – der Reiz des
Neuen. Torsten Günther hat ja
schon einmal einen Riecher für
aufkeimende neue Trendsportarten
bewiesen. Warum nicht nochmal?
Jetzt keimt der Beachsoccer –
wenn auch damals noch als sehr
kleines Pflänzchen. „Es wurde
nur im Bereich des Freizeitsports
gespielt. Nicht beim DFB oder
seinen Verbänden.“
Trotzdem wird Torsten aktiv, auf
eigene Initiative. „Ich habe mich
an die Veranstalter von solchen
Freizeitevents gewandt, die auch
eine Schiedsrichter-Ausbildung
angeboten haben.“ Und im Mai
2009
wird er nach einer Schulung
mit anschließender schriftlicher
Prüfung im heimischen Wohnzim-
mer(!) Beachsoccer-Schiedsrich-
ter. „Das fühlte sich damals
unwirklich an, sehr amateurhaft.“
Von da an darf er Freizeit-Turniere
pfeifen, die von privaten Anbie-
tern organisiert werden.
Der erste Einsatz im Juni 2009 in
Düsseldorf wäre jedoch fast sein
letzter geworden. „Es regnete wie
aus Kübeln, und so richtig Strand-
feeling kam nicht auf. Ich weiß
noch, dass ich vor dem letzten
Spiel fröstelnd einen Ort gesucht
habe, an dem ich mich aufwärmen
konnte, aber leider nichts gefun-
den habe. Da habe ich darüber
nachgedacht, ob das überhaupt
das Richtige für mich ist.“ Das
erste Turnier fiel also ins Wasser.
Erkältung inklusive.
Aufgeben ist aber nicht Torstens
Art – er gibt dem Beachsoccer
noch eine weitere Chance. Zweiter
Einsatz im ostfriesischen Touris-
ten-Mekka Norddeich. Ein Turnier
auf Natursand direkt an der Nord-
see. Klingt schon eher nach
Urlaubs-Feeling. „Dank traumhaftem
Wetter ging meine Beachsoccer-
Laufbahn weiter“, erzählt Torsten
lachend.
Im selben Jahr findet in Köln am
wunderbar idyllischen Escher See
das Deutschland-Finale der Frei-
zeitserie statt – wieder mit Torsten
Günther. Er qualifiziert sich, wie
auch in den beiden Folgejahren, für
das Endspiel. Und: Der Verantwort-
liche für das „Team Germany“, der
vom DFB inzwischen anerkannten
Nationalmannschaft“, entdeckt
den Mann aus Bergisch Gladbach.
Über ihn bin ich dann auch zu
meinem ersten internationalen
Einsatz gekommen.“ Es ist das
Freundschaftsspiel Deutschland
gegen Estland am 15. Mai 2010 im
Rahmen des DFB-Pokalfinales der
Frauen in Köln.
Im selben Jahr folgt ein weiteres
Freundschaftsspiel gegen die
Niederlande. „Mein größtes Glück
in meiner Beachsoccer-Laufbahn
Bei einem Turnier in Berlin
schnupperte Torsten Günther
im Jahr 2012 erstmals inter-
nationale Beachsoccer-Luft.
Im Bild verwarnt er einen
Italiener wegen einer
Schwalbe“.
war, dass die FIFA entschieden
hat, 2011 einen Spieltag der Euro-
pean Beach Soccer League (EBSL)
in Berlin auszutragen“, sagt Tors-
ten Günther.
Denn: Dem Team-Verantwortlichen
wird dabei die Gelegenheit gege-
ben, einen deutschen Schiedsrich-
ter zu benennen, der dort als
Nicht-FIFA-Schiedsrichter teilneh-
men darf. Die Wahl fällt auf Torsten
Günther, sodass er zu seinem
ersten FIFA-Einsatz kommt.
Ich habe niemals damit gerech-
net, dass ich bei diesem Turnier
als leitender Schiedsrichter zum
Einsatz kommen könnte. Ich war
eigentlich mit zwei Einsätzen als
dritter Schiedsrichter, vergleich-
bar mit dem Vierten Offiziellen im
Feldfußball, überglücklich.“
Aber es gibt das Sahne-Häubchen:
Sein erstes offizielles Länderspiel,
Tschechien gegen Andorra. „Der
Einzug ins Stadion mit der FIFA-
Hymne, die Nationalhymnen, die
Live-Übertragung im Fernsehen,
der erste Anpfiff - ich hatte
gefühlt noch Wochen später Gän-
sehaut“, sagt Torsten – und seine
Augen leuchten. „Nun war meine
Entscheidung klar: Das, was ich in
Berlin erlebt hatte, durfte nicht
mein letztes Erlebnis dieser Art
gewesen sein!“
Er nimmt Kontakt mit DFB-Lehr-
wart Lutz Wagner auf. „Ich habe
bei ihm für meine neue Leiden-
schaft geworben. Das war von
ihm wahrscheinlich nicht immer
gewünscht, aber er hat mich
immer sehr geduldig ertragen“,
sagt Torsten heute.
Aber auch Lutz Wagner als dama-
liges Mitglied der Schiedsrichter-
Kommission kann ihm nicht direkt
weiterhelfen - weil es zu diesem
Zeitpunkt keinen offiziellen Spiel-
betrieb in Deutschland gibt. „Ich
musste mich also weiter selbst
versorgen und habe jede Gelegen-
heit genutzt, im Beachsoccer
tätig zu werden, den Sport zu för-
dern und bekannter zu machen.“
Mit Beachsoccer-Nationalcoach
Nils Böringschulte, DFB-Abtei-
lungsleiter Bernd Barutta und
nd gebaut
lz. Torsten Günther (37) aber ist so gesehen ein beson-
zt Deutschlands erster Beachsoccer-Schiedsrichter auf
FIFA-Referee-Instructor Stephan
Fässler hat er aber bald weitere
einflussreiche Fürsprecher.
Die EBSL gastiert 2012 erneut in
Berlin. Torsten Günther wird
erneut eingeladen – und darf mit
Peter Herbaly aus Ungarn das
Eröffnungsspiel zwischen Italien
und Rumänien leiten. Außerdem
entsteht die „German Beach Soc-
cer League“ (GBSL), eine Liga mit
acht Mannschaften, die mit Hin-
und Rückspiel deutschlandweit
ihren Meister ausspielt – 2013
startet der reguläre Spielbetrieb,
eine FIFA-Voraussetzung für die
Nominierung eines internationalen
Schiedsrichters.
Dort kann Torsten nun regelmäßige
Erfahrungen als Beachsoccer-
Referee machen. Und er kümmert
sich um die Organisation des
Schiedsrichter-Wesens der Liga.
Er ist jetzt regelmäßig in ganz
Deutschland unterwegs. „Da ging
fast der ganze Jahresurlaub drauf –
aber das war es auch wert.“
Sein vorläufiges Highlight: Der
Liga-Finalspieltag bei hervorra-
gendem Strandwetter in Warne-
münde an der Ostseeküste. Beim
Endspiel zwischen Rostock und
Düsseldorf stehen unter Torstens
Leitung 800 Zuschauer rund um
das Spielfeld. „Wieder Gänsehaut
pur“, schwärmt Torsten. „Als die
Heimmannschaft Rostock dieses
Finale auch noch für sich ent-
scheiden konnte, bebte der
Strand. So was hatte ich noch nie
erlebt.“ Ende des Jahres gibt es
dann die FIFA-Nominierung oben-
drauf.
Was fasziniert ihn an der Rand-
sportart Beachsoccer? „Sie ist
jung, es entwickelt sich noch viel.
An dieser Entwicklung teilzuneh-
men, macht mir sehr viel Spaß“,
schwärmt Torsten. Er lacht wieder
laut auf, dieses ansteckende
Lachen. „Und man trifft auf viele
Gleichgesinnte – oder Verrückte,
wie es Außenstehende ausdrü-
cken würden. Man schließt schnell
Freundschaft.“
Beachsoccer sei ein Lebensgefühl.
Fußball am Strand, bestenfalls bei