Teil 3: Das Derby vor der Brust
Das Debüt
Im ersten Spiel der Westfalenliga-Saison 2021/22 erwarteten wir die Gäste vom SV Bökendorf an der „Festung Egelshove“. Die Mannschaft aus Höxter gab nach drei Jahren Regionalliga ihren Startplatz für diese Spielzeit freiwillig ab, um sich nach personellen Abgängen in der Verbandsliga neu zu formieren. Im Vorfeld war klar, dass trotz des Fehlens vermeintlicher Leistungsträgerinnen eine Mannschaft mit viel fußballerischer Substanz und dem nötigen Maß an Erfahrung aufschlagen würde. Um die Damen vom SVB besser einschätzen zu können, nutzten wir die Gelegenheit am Wochenende vor dem Saisonstart und sahen uns ihren Auftritt im Westfalenpokal im benachbarten Amelsbüren an.
Aufgrund der Erkenntnisse aus diesem Spiel erwarteten wir Bökendorf in einer Art 4-4-2 „flach“, wobei der Fokus im Aufbau auf dem schnellen Spiel durch die Mitte in die Spitze liegen würde. Beim 4:2-Erfolg gegen die Landesliga-Damen aus Amelsbüren griff Bökendorf nämlich immer wieder schnell durchs Zentrum an, spielte dabei flach vor die Kette und nutzte geschickt die dadurch enstandenen Lücken zwischen den beiden Innenverteidigerinnen oder zwischen der Innenverteidigerin und der Außenverteidigerin auf der Ballseite.
Die Kapitänin bringt das Schiff auf Kurs
Dementsprechend legten wir viel Wert darauf, im Zentrum die Hoheit zu übernehmen. Wir wollten das vertikale Spiel zwischen die Ketten zwingend verhindern, was uns auch überwiegend gelang. Allerdings kam nun die zweite Stärke der Gäste deutlich zum Vorschein: Die Spielverlagerung aus der Breite in die Tiefe. Nach einer knappen Viertelstunde erwischte uns eine Halbfeldflanke eiskalt. Der Ball wurde perfekt hinter die Kette in den Lauf der Bökendorfer Stürmerin gespielt, die frei vor dem Tor die Ruhe behielt und den Ball in die Maschen drosch – 0:1. Nun galt es doch tatsächlich vor heimischer Kulisse den sich anbahnenden Fehlstart zu vermeiden. Und für solche Situationen gibt es Spielführerinnen. Menschen, die voran gehen und positiv auf die Mannschaft einwirken. So erholte sich das Team recht schnell von dem Schock und stabilisierte sich in der Folge. Wir kombinierten nun zielstrebiger nach vorne, bis wir etwa zehn Minuten nach dem Gegentreffer am rechten Flügel durchbrechen konnten. Im Strafraum fand der Ball seinen Weg zur Frau mit der Binde am Arm und nur einen Augenblick später schlug er unter der Latte ein – jetzt waren wir drin im Spiel. Mit Rückenwind ging es schließlich für uns in die Halbzeit, wo wir noch einmal auf die Halbfeldflanken und die zugehörigen Tiefenläufe der gegnerischen Stürmerin hinwiesen. Allerdings wollten wir von nun an noch aktiver sein und uns mehr auf die eigenen Stärken als auf die des Gegners besinnen. So erzielten wir nur fünf Minuten nach dem Wiederanpfiff das 2:1. Mit der Führung schien der Knoten nun endgültig geplatzt. Wir übernahmen immer mehr Kontrolle über das Spiel und ließen eine Viertelstunde später das 3:1 folgen. Spannend wurde es noch einmal, als Bökendorf einen Strafstoß zugesprochen bekam, den unsere Torhüterin jedoch parieren konnte. Kurz darauf machten wir mit dem 4:1 den Deckel drauf, ehe der Schiedsrichter abpfiff.
Willkommen in der Realität
Für das zweite Spiel der Saison ging es für uns zur DJK Arminia Ibbenbüren. Eine Mannschaft, die in der Vergangenheit immer oben in der Westfalenliga mitgemischt hat und von einer hervorragenden Jugendarbeit profitiert. Der Saisonstart der Arminen verlief mit einer 2:0-Niederlage bei Berghofens Zweitvertretung jedoch nicht wie erhofft und so bekamen wir früh zu spüren, dass man in Ibbenbüren einiges wieder gut zu machen hatte. Die Spielanlage versprach zumindest in meinen Gedanken ein technisch sauberes und kontrolliertes Fußballspiel zweier Mannschaften, die sich nichts schenken würden. Zwei Mannschaften, die sich auf die eigenen Stärken besinnen und den Anspruch haben mit dem Ball kreativ zu werden. Auf dem Platz offenbarte sich dann jedoch gegenteiliges: Die einzelnen Spielphasen waren kaum zu identifizieren, weil es von einer Umschaltsituation in die nächste ging. Deutliche Ballbesitzzeiten gab es kaum und somit auch wenig Raum für Positionsspiel und gezielte Angriffe. Somit war der 0:0-Halbzeitstand folgerichtig. In der Pause mussten wir jedoch eingestehen, dass die Gegnerinnen uns phasenweise deutlich stärker unter Druck gesetzt hatten und somit zu mehr potenziell gefährlichen Situationen kamen. Wir wussten zwar, wie wir angelaufen werden und welche Räume wir dadurch bespielen können, hatten allerdings selten konkrete Lösungen, um überhaupt in diese Räume zu kommen. Für die zweite Hälfte nahmen wir uns also vor, weiter vorne Druck auf den Ball zu kriegen, damit wir den Gegner von unserem Tor fern halten und die Abwehr dadurch zusätzlich entlasten können.
Das Glück der Tüchtigen
Doch nach 45 kräftezehrenden Minuten ist das eine enorm schwierige Aufgabe. Zwar hatten wir hin und wieder Balleroberungen in vielversprechenden Räumen, allerdings verteidigte Ibbenbüren nach Ballverlust sehr aufmerksam und wusste unsere Umschaltaktionen frühzeitig zu unterbinden. Nach etwa 75 Minuten kam dann doch ein Steckpass direkt nach Ballgewinn von uns hinter die gegnerische Kette. Unsere Außenstürmerin lief perfekt ein, umkurvte die Torhüterin und entschied sich dann jedoch abzubrechen, um mit dem stärkeren Rechten abschließen zu können – leider die falsche Entscheidung. Eine Ibbenbürener Abwehrspielerin rettete im letzten Moment. Rund zehn Minuten später wurde es vor unserem Strafraum nochmal gefährlich: Etwa 20 Meter vor dem Tor kam es zu einer Art Press-Schlag. Ein Klärungsversuch unsererseits landete unmittelbar in der Schussbewegung der gegnerischen Angreiferin und schlug schlussendlich unhaltbar unten rechts ein. So ein Tor hatte ich bis dato noch nie gesehen. So ein später Gegentreffer tut besonders weh, aber ehrlicherweise war es in Summe auch kein unverdienter. Ibbenbüren hat über 90 Minuten mehr investiert, intensiver gegen den Ball gearbeitet und den Sieg so erzwungen. Eine Lehre, die gerade mit Blick auf das anstehende Derby gegen Ostbevern zum richtigen Zeitpunkt kommt.
Schon gewusst?
Die vielen Umschaltmomente sind besonders charakteristisch für Frauenfußball. In einer spanischen Studie von 2019 wurde herausgestellt, dass Frauen eine grundsätzlich höhere Anzahl an Angriffen pro Spiel fahren, was vor allem mit den vielen Kontermomenten und geringen Ballbesitzzeiten zu tun hat. Die Forscher erklären dies wiederum mit der Tendenz zu langen Bällen im Frauenfußball, welche im Verhältnis gesehen einerseits einfacher zu verteidigen und andererseits schwieriger zu spielen sind als Kurzpässe.