Sehr geehrte Damen und Herren,
Wissenschaft und Fußball – geht das überhaupt zusam-
men? In den Augen mancher Beobachter ist das eine
skurrile Kombination, dicht gefolgt von der Verbindung
Fußball und Politik.
Dass Wissenschaft und Fußball sehr gut miteinander
harmonieren, zeigt unter anderem die beachtliche Reso-
nanz auf den 2. Wissenschaftskongress des Deutschen
Fußball-Bundes.
Selbstverständlich ist die Zusammenarbeit mit der Wis-
senschaft auch aus Sicht des DFB – und das nicht erst
seit dem 1. Wissenschaftskongress vor drei Jahren. Be-
reits 2005 begannen die Vorbereitungen für die AG Wis-
senschaft, die schließlich 2008 ihre Arbeit aufnahm. Die
Gründe für die Initiierung der AG lassen sich auf den
Punkt bringen: Wer national und international im Sport
erfolgreich bleiben will, muss auf wissenschaftliche Er-
kenntnisse, auf Forschung und Entwicklung setzen. Das
gilt auch für den Fußball. Die AG vereint ein weites Spek-
trum an Themen, was einem einzigen Ziel dient: die Rah-
menbedingungen für die Aktiven, deren Trainer und Be-
treuer zu verbessern.
Die Verzahnung von Wissenschaft und Fußball begann
allerdings nicht erst im Jahre 2008. Die meisten werden
sich noch an die Geschichten rund um die Fußballwelt-
meisterschaft 1954 erinnern: die mittlerweile wohl le-
gendäre Szene nämlich, als Adi Dassler Sepp Herberger
seine neuen Fußballschuhe mit Schraubstollen vorstellt.
Der dezente Hinweis in der Halbzeitpause des Endspiels,
so wird erzählt, dass man die Stollen auch wechseln und
somit noch mehr Halt auf dem stark durchnässten
Geläuf bekommen könne, trug sicherlich ein wenig zum
Erfolg in Bern bei.
Seither hat die Wissenschaft großen Einfluss auf die Ent-
wicklung des Fußballs genommen. Klebte früher das Tri-
kot am Leib, und an diese Zeit kann ich mich noch ganz
besonders gut erinnern, und wurde der Ball bei schlech-
ter Witterung zu einer schweren behäbigen Kugel, so
sind heute Funktionskleidung und super leichte Bälle
Standard. Die deutliche Verbesserung der Rahmenbe-
dingungen lässt sich aber nicht nur am Gewicht oder der
Flugbahn des Spielgerätes deutlich machen. Insbesonde-
re der Wandel der Trainingsbedingungen und der Metho-
dik hat einschneidende Änderungen zur Folge. Das ist
auch ein Ergebnis des immer enger werdenden Netz-
werkes von Wissenschaft und Sport, wofür der Kongress
ein weiterer Beitrag sein soll.
Trainingswissenschaftler aus ganz Deutschland und dar-
über hinaus tauschen sich über die neuesten Erkenntnis-
se aus, die schon bald in die Übungen der Vereine ein-
fließen werden. Wie kann ich Verletzungen vorbeugen,
die Sprintfähigkeit der Spielerinnen und Spieler verbes-
sern, die Regenerationszeit verkürzen? Das sind zentra-
le Fragen, die auf Antworten warten. Neben dem Wett-
bewerbsvorteil dient die Beantwortung dieser Fragen
der Fundierung von Trainingsplänen in technischer, tak-
tischer und konditioneller Hinsicht sowie deren Kombi-
nation zur Entwicklung einer komplexen Spielfähigkeit.
Den Fokus allein auf den sportlichen Bereich zu richten,
würde allerdings wesentlich zu kurz greifen. Schließlich
steht der Fußball mitten in der Gesellschaft, die sich ste-
tig verändert. Der demografische Wandel wurde von den
Wissenschaftlern schon lange prognostiziert und auch
der Sport muss darauf reagieren, denn ohne die zahlrei-
chen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer würde die
Basis in kürzester Zeit bröckeln und dem Profisport,
auch wenn es mancher nicht wahrhaben will, die Grund-
lage entzogen. Dem hat der DFB bereits vor Jahren mit
dem Amateurfußball-Kongress Rechnung getragen. Mit
der zweiten Auflage des Amateurfußball-Kongresses im
vergangenen Jahr in Kassel haben wir unter wissen-
schaftlicher Begleitung versucht, das Bewusstsein der
Vereinsvertreter für die gesellschaftlichen Veränderun-
gen zu schärfen.
Es ist also offensichtlich, dass die Verbindung zwischen
Wissenschaft und Fußball alles andere als skurril ist. Sie
wird schon lange gelebt und gezielt gesucht, da die Er-
kenntnisse in vielen Bereichen des Sports auf und ab-
seits des Platzes Einfluss nehmen. Seit Adi Dasslers Zei-
ten hat die Bedeutung des externen Wissens entspre-
chend deutlich zugenommen.
Zahlreiche Fachleute haben auf dem 2. DFB-Wissen-
schaftskongress 2013 über neueste Erkenntnisse in
ihren Spezialbereichen berichtet. Diese Dokumentation
bietet die Möglichkeit, sich mit ihren Beiträgen nochmals
eingehend auseinanderzusetzen.
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EINFÜHRUNG
Einführung
Hermann Korfmacher, 1. DFB-Vizepräsident (Amateure)