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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 4 / 2 0 1 4
diesem durch einen Sprung aus.
Der Ball geht unberührt ins Tor.
Die zentrale Frage hierzu lautet: Ist
das Verhalten Hennings noch im
Sinne einer Sichtbehinderung für
den Torwart – aus einer strafbaren
Abseitsstellung heraus – zu bewer-
ten, obwohl er ja nicht dessen
Sicht zum schießenden Spieler
versperrt?
Im Vergleich zum gerade geschil-
derten Fall in Aue wird hier aller-
dings nach dem Schuss die Sicht
des Torwarts auf den Flug des Bal-
les behindert. Weil dadurch seine
Reaktionsmöglichkeit beeinträch-
tigt wird, handelt es sich hier um
eine strafbare Abseitsposition. Das
ist allerdings wirklich knifflig und
bedarf schon einer eingehenden
Analyse.
***
Ganz zum Schluss der Analysen
dieser Saison wollen wir noch auf
einen Teilaspekt der Diskussion um
das nicht gegebene Tor im Finale
um den DFB-Pokal zwischen
Borus-
sia Dortmund und Bayern Mün-
chen
eingehen.
Als der Assistent aus seiner Sicht
daran zweifelte, dass der Ball die
Torlinie überschritten hatte, tat er
das, was man an der Linie in sol-
chen Fällen macht: Er streckte den
linken Arm aus
(
Foto 9)
und signa-
lisierte damit, dass der Ball nicht
im Tor war.
Denn dieses Zeichen („freie Hand“)
bedeutete schon, als die Assisten-
ten noch Linienrichter hießen, also
sozusagen seit ewigen Zeiten:
Weiterspielen!“ Es ist ein bestäti-
gendes Signal für den Schiedsrich-
ter: Der Ball ist nicht im Tor, der
Ball ist nicht im Aus, der Spieler ist
nicht im strafbaren Abseits, es
liegt kein Foul oder Handspiel vor;
also lass das Spiel weiterlaufen!
Dieses Zeichen ist eben nicht das,
wofür es beim Pokalfinale Regelun-
kundige hielten – für eine Anzeige
Tor“! Ein gültig erzieltes Tor näm-
lich zeigt der Assistent im Zwei-
felsfall an, indem er die Fahne hebt
und Richtung Mittellinie läuft.
Im Profifußball ruft er dem
Schiedsrichter zusätzlich über
Headset das dafür abgesprochene
Codewort zu, im übrigen Liga-
Betrieb nickt er beim Blickkontakt
zum Schiedsrichter bestätigend
mit dem Kopf oder gibt das für
diese Fälle im Team abgesprochene
zusätzliche Zeichen.
Diese Abläufe sind keine Erfindung
der Neuzeit (von der Headset-Hilfe
mal abgesehen). Es gibt sie schon
so lange, dass man sie wirklich
kennen kann, auch wenn man
keine Schiedsrichter-Ausbildung
hat. Deshalb ist es bedauerlich,
dass aufgrund dieser mangelnden
Kenntnisse das Gerücht in Umlauf
kam, der Schiedsrichter habe bei
dieser kniffligen Szene den Assis-
tenten überstimmt.
Wobei allein schon die Position des
Schiedsrichters im entscheidenden
Moment – fast 20 Meter von der
Torlinie entfernt – deutlich zeigt,
wie absurd ein solcher Gedanke
ist.
Nein, denn Torwart Männel hatte beim Schuss und danach freie
Sicht auf den Ball.
Nazarov (ganz rechts) schießt aufs Tor, Hennings steht im
Abseits.
Hennings (Nr. 17) verdeckt kurzzeitig den Ball und springt
dann hoch.
Der Assistent zeigt mit dem ausgestreckten linken Arm an:
weiterspielen!
Foto 7b
Foto 8a
Foto 8b
Foto 9