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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 5 / 2 0 1 2
ef“ gehabt hätte
in punkto Torerzielung gestattet. SRZ-Mitarbeiter
von 1966 eine entsprechende Technologie zur
veranstaltet. Wenn dort alles funk-
tioniert, wird die Technik auch beim
Confederations Cup 2013 und
schließlich bei der WM 2014 (beide in
Brasilien) eingesetzt. Die National-
verbände sind allerdings nicht ver-
pflichtet, die neuen Systeme einzu-
führen – sie können es, wenn sie
wollen. In der Bundesliga könnte
dies frühestens ab der Saison
2013/2014
der Fall sein. DFB-Präsi-
dent Wolfgang Niersbach: „Aus Sicht
des DFB ist es ein Schritt in die rich-
tige Richtung, aber Schnellschüsse
in der Umsetzung darf es nicht
geben. Es ist der richtige Weg, den
Einsatz der Technik zunächst auf die
großen FIFA-Turniere zu konzentrie-
ren.“
Nochmal zurück zu Wembley und
der Devise „Im Zweifel kein Tor“ –
Gottfried Dienst ging schon früh
erfrischend offen und ehrlich mit
dem Thema um. In einem Interview
mit BILD am 23. Dezember 1966
erklärte der Schweizer Weltklasse-
Referee: „Ich war unsicher, ob der
Ball drin war oder nicht. Durch die
Haltung von Bachramow wurde ich
erst recht unsicher und entschloss
mich, zu ihm zu gehen, ihn zu fra-
gen.“ Und im Mai 1994 sagte Dienst
dem SPIEGEL: „Und wenn Sie mich
nach 100 Jahren wieder ausgraben,
und ich komme neu auf die Welt,
weiß ich immer noch nicht, ob der
Ball drin war.“
***
Die FIFA hatte zunächst acht
Systeme testen lassen, von denen
zwei es in die engere Auswahl von
Fachleuten der „Eidgenössischen
Materialprüfungs- und Forschungs-
anstalt“ geschafft haben: Das aus
dem Tennis bekannte „Hawk-Eye“
(
Adlerauge) sowie das „GoalRef“-
System (Tor-Schiri-System). Beide
Systeme bestanden unter realen
Bedingungen die zahlreichen Tests –
GoalRef“ wurde eigens zu diesem
Zweck im Nürnberger Stadion instal-
liert.
Beim „Hawk-Eye“ handelt es sich
um ein optisches System, bei dem
mehrere Spezial-Kameras, insge-
samt bis zu sechs, den Ball aufneh-
men und die Bilder an einen zentra-
len Computer senden. Der stellt die
genaue Position des Balles fest. Ein-
gesetzt wird es bereits seit vielen
Jahren im Profi-Tennis, zum Beispiel
in Wimbledon. Als Kosten werden
250.000
bis 300.000 Euro pro Sta-
dion genannt.
Die Basis des „GoalRef“-Systems ist
ein Magnetfeld im Torrahmen – wie
ein unsichtbarer Vorhang hinter
Latte, Pfosten und Torlinie. Der Ball
wird bei diesem System mit drei
Magnetspulen ausgerüstet – und
übrigens nicht, wie oft behauptet,
mit einem Chip. Überquert die Kugel
vollständig die Torlinie, registriert
das Magnetfeld die Veränderung.
Entwickelt wurde dieses System
vom „Fraunhofer-Institut für Inte-
grierte Schaltungen“ in Erlangen
gemeinsam mit dem dänischen
Unternehmen „Goal-Ref“, das
ursprünglich an einer Tor-Technik
für den Handball arbeitete. Genaue
Kosten sind noch nicht bekannt,
genannt werden Summen zwischen
120.000
und 200.000 Euro. Auch
Modelle, das „GoalRef“-System zu
mieten, werden diskutiert.
Im Interview mit „Zeit Online“ macht
Mitentwickler René Dünkler („Goal-
Ref“-System) auch Amateurklubs
Hoffnung auf dieses System: „Unser
Ziel ist es, eine Zweiklassen-Gesell-
schaft zu verhindern. Wir wollen das
System in möglichst großen Stück-
zahlen produzieren. Technik wird
rapide günstiger – dafür sorgt schon
die Zeit, aber auch steigende Stück-
zahlen. Die FIFA hat das Beispiel
Flachbildschirme genannt: Die
haben auch mal 10.000 Euro gekos-
tet. Heute gibt es sie für ein paar
Hundert.“
Beiden Systemen gemein ist, dass
sie bei einer Torerzielung dem
Schiedsrichter innerhalb einer
Sekunde ein Signal auf eine spezielle
Armbanduhr senden. Vor der end-
gültigen Einführung soll es weitere
Tests und die offizielle Zertifizierung
durch die FIFA mit einem Qualitäts-
siegel geben. Ein Rest von Unsicher-
heit bleibt allerdings. So hat das
Hawk-Eye“ als optisches System
offensichtlich dann eine Schwäche,
wenn der Ball zum Beispiel durch auf
ihm liegende Spieler verdeckt wird.
Mancher fragt sich auch: Hält das
GoalRef“-System im Ball wirklich
allen Erschütterungen stand? Kann
das Magnetfeld möglicherweise –
absichtlich oder unabsichtlich – von
außen beeinflusst werden? Insofern
wird es bei aller Technik auch künf-
tig auf die Argus-Augen des
Schiedsrichters und seiner Assisten-
ten sowie eine möglichst optimale
Zusammenarbeit und Kommunika-
tion im Team ankommen. Dem trägt
eine weitere Entscheidung des
International Board Rechnung, die
in der allgemeinen Technik-Euphorie
ein wenig unterging: Es bleibt einzig
und allein die Sache des Unpartei-
ischen, auf Tor zu entscheiden oder
nicht. Es könnte ja passieren, dass
der Ball am Tor vorbei fliegt und auf
seiner Uhr trotzdem „Tor“ aufblinkt.
So etwas kann sich Heribert Bruch-
hagen, Vorstandsvorsitzender der
Eintracht Frankfurt Fußball AG,
schon vorstellen: „Ich befürchte,
dass die technische Fehlerquote die
gleiche sein wird wie die menschli-
che. Was ist, wenn es technische
Probleme gibt?“
***
Die deutschen Spitzen-Schiedsrich-
ter, zahlreiche Vereinsvertreter und
Diese Grafik der Deutschen Presse-Agentur erläutert die beiden
in Frage kommenden Verfahren.