Teil 6: Siegreich trotz Ladehemmung
Fußball ist Ergebnissport
Was im Ligabetrieb nach 90 Minuten plus Nachspielzeit zählt, ist das Ergebnis. Ein Tor mehr zu schießen als der Gegner bedeutet den Sieg und damit auch die Höchstpunktzahl einzufahren. Aber ein Ergebnis spiegelt nicht immer das wider, was in der effektiven Spielzeit auf dem Platz passiert ist. Im letzten Teil des Blogs ging es bereits um unsere mangelhafte Chancenverwertung und dieses Thema spitzte sich schließlich im Heimspiel gegen Fortuna Freudenberg zu. Wir konnten die Partie zwar mit 1:0 für uns entscheiden, hatten dabei aber klare Chancen für fünf bis sechs weitere Treffer und etliche andere sauber herausgespielte Möglichkeiten. Den Weg zum Tor hatten wir bisher in keinem anderen Spiel so konsequent und präzise gefunden wie gegen Freudenberg. Dass es trotzdem nur einmal klingelte, lag neben einer gewissen Unentschlossenheit beim Abschluss auch an der herausragenden Gäste-Torfrau. Doch in der zwölften Spielminute zog unsere linke Außenstürmerin den Flügel herrlich frei für die linke Außenverteidigerin, die den Diagonalball unserer Sechs sofort in Richtung Strafraum mitnahm und schließlich für die einlaufende Acht zurücklegte, deren erster Kontakt den Ball unhaltbar ins lange Eck beförderte.
Das frühe Tor machte Hoffnung auf mehr. Wir wollten direkt nachlegen und uns für gute Leistungen in den vergangenen Spielen und Trainingseinheiten belohnen, wir wollten Selbstvertrauen tanken. Doch die anschließenden Angriffe brachten nichts ein. Meistens konnten wir die gegnerischen Aufbaubebemühungen schon auf unserer ersten Verteidigungslinie unterbrechen, doch die Umschaltmomente wurden häufig verschleppt. Auch aus dem eigenen Aufbau heraus schafften wir es immer wieder den Flügel zu überladen und uns bis in den Strafraum zu kombinieren, doch entweder landete die Hereingabe wieder in den Armen der Torhüterin, oder der Abschluss war zu ungenau.
In Halbzeit zwei wurde es noch extremer: Dreimal liefen verschiedene Spielerinnen frei auf das gegnerische Tor zu, wurden zusehends nervös und entschieden sich konsequent für die falsche Ecke oder das Abspiel. Weitere über die Flügel herausgespielte Chancen verpufften nach zu zentralen Abschlüssen und den herausragenden Reflexen der Freudenberger Torfrau. Doch all der Ärger und die Frustration waren verflogen, als kurz vor Ende der Partie eine Freudenberger Spielerin ohne Fremdeinwirkung plötzlich zusammenbrach. Die Erstversorgung war umgehend zur Stelle und dank einer vorbildlichen Rettungskette konnte der Notarzt rechtzeitig übernehmen. Noch am selben Abend erreichte uns die erfreuliche Nachricht aus Freudenberg, dass die Spielerin stabil sei und am Folgetag aus dem Krankenhaus entlassen werden würde.
Derby 2.0
Am achten Spieltag ging es für uns zum kleinen Münsterland-Derby bei den Damen der DJK VfL Billerbeck. Bisher taten wir uns in der Saison auswärts deutlich schwerer als zuhause und auch in dieser Partie fingen wir nicht so stark an, wie zuletzt daheim gegen Freudenberg. Wir brachten zwar die exakt gleiche Startelf auf den Platz, doch die Gastgeberinnen begannen enorm bissig und willensstark. Lautstark und offensiv anlaufend sorgten sie für Unruhe und provozierten einfache Ballverluste. Diese verzeichneten wir glücklicherweise nicht in besonders gefährlichen Räumen, doch der Spielrhythmus, den wir brauchen, sollte sich nicht so recht einstellen. Somit begannen wir frühzeitig die Bälle lang zu schlagen und verkürzten dadurch zusätzlich unsere Ballbesitzphasen. Die Rückeroberung der Bälle war auf dem großen Feld außerdem enorm kraftraubend.
Auch gegen den Ball machten sich die Spielfeldabmessungen bemerkbar. Es fiel schwer, Druck auf den Ball zu bekommen, ohne dabei die Tiefensicherung aufzulösen. Somit standen wir hinter der Pressinglinie häufig in Unterzahl im zentralen Bereich und mussten ungewohnt oft defensive Eins-gegen-Eins-Situationen in Kauf nehmen. Diese konnten unsere Verteidigerinnen jedoch hervorragend auflösen und ließen keine gefährlichen Torabschlüsse der Gegnerinnen zu. Nach etwa einer halben Stunde schafften wir es dann endlich einen Ball kontrolliert hinter die gegnerische Kette zu bringen: Unsere rechte Acht leitete einen hohen Ball sehenswert volley über die Abwehr hinweg weiter in den Strafraum, wo ihn die linke Außenstürmerin blitzsauber mit dem ersten Kontakt unter Kontrolle brachte und lässig zur 1:0-Pausenführung einschob.
Comeback-Qualitäten
Trotz der Führung ging es in der Kabine ungewohnt kritisch zu. Wir machten nochmal deutlich, dass wir uns in der zweiten Halbzeit keine unnötig hergeschenkten Ballbesitzphasen mehr erlauben können und wieder geduldiger unsere Angriffe aufziehen müssen. Schließlich bedeuten viele Ballwechsel auch viele Umschaltmomente, die wiederum wertvolle Energie rauben, die gegen Ende der Partie spielentscheidend ist. Lange Bälle vor der Mittellinie sollten fortan tabu sein. Stattdessen wollten wir uns vermehrt auf ein koordiniertes Übergangsspiel in der gegnerischen Hälfte und gezielte Steckpässe hinter die Kette fokussieren. Auch der Zugriff auf den gegnerischen Aufbau war Thema der Halbzeitansprache: Wir gaben der Mannschaft vor, den Platz noch enger zu machen und noch weiter einzurücken, um die Abstände zwischen den einzelnen Mannschaftsteilen so gering wie möglich zu halten.
Beide Hinweise sorgten dafür, dass wir in der zweiten Hälfte besser ins Spiel fanden und uns klarere Torchancen erspielen konnten. Sowohl die Balleroberungen auf der ersten Verteidigungslinie - vor allem im Zentrum - als auch der anschließende Umschaltmoment gelangen nun besser und häufiger. Doch mitten in unserer Drangphase, nachdem zwei hochkarätige Torabschlüsse nur knapp das gegnerische Tor verfehlten, trafen die Gastgeberinnen: Ein Pass auf außen geriet zu kurz, wurde nach vorne verteidigt und schließlich in die Mitte gelegt, wo die Top-Torjägerin aus Billerbeck eiskalt abschloss - 1:1 bei einer knappen Viertelstunde Restzeit.
Bisher hatten wir in dieser Saison nur einen Rückschlag erfolgreich verarbeitet und das war beim Saisonauftakt zuhause gegen Bökendorf. In den folgenden Spielen zeigten wir uns nach Gegentreffern zusehends instabil und nervös, weshalb dieser Gegentreffer aus dem sprichwörtlichen „Nichts" zunächst ein Schock war. Wir hatten die Partie im Griff, bis dahin keine Tormöglichkeiten zugelassen und mit dem ersten Abschluss der Gegnerinnen zappelt der Ball im Netz. Ein Unentschieden hätte unseren Ansprüchen zu diesem Zeitpunkt nicht genügt und wäre auch nicht verdient gewesen. So war klar, dass wir auf ein zweites Tor drängen würden, diesmal allerdings ohne „Brechstange". Anstatt das Risiko einzugehen, den Ball und damit die Möglichkeit auf einen wertvollen Angriff zu verlieren, brachen wir aussichtslose Ballvorträge frühzeitig ab und verlagerten geduldig das Spiel. Das machte die Zuschauer zwar hörbar nervös, doch mit der Ruhe auf dem Platz wuchs in mir die Zuversicht, dass einer der Angriffe seinen Weg ins Ziel finden würde. In der 88. Minute war es dann soweit: Ein Durchbruch nach Steilpass durch die rechte Halbspur schickte die rechte Außenstürmerin in den gegnerischen Strafraum, wo sie noch einmal den Kopf hob und punktgenau auf die einlaufende linke Außenstürmerin zurücklegte, die den Ball unter dem Querbalken platzierte. Gleich nach der erneuten Führung brachten wir nochmal zwei frische Kräfte, um die Intensität gegen den Ball hochzuhalten und dafür zu sorgen, dass drei Punkte mit nach Hause kommen. Als dann schließlich nach sechs Minuten Nachspielzeit der Abpfiff ertönte, war die Erleichterung groß. Den dritten Sieg in Folge mussten wir uns hart erarbeiten.
Schon gewusst?
Beim Frauenfußball wurde eine höhere Anzahl an Angriffen aus dem Positionsspiel heraus festgestellt. Derselben Studie zufolge schließen Männer ihre Angriffe häufiger nach Einzelaktionen ab. Neben dem Sozialverhalten führen die Macher der Studie als mögliche Erklärung an, dass Frauen häufiger im Kollektiv angreifen, um Energie zu sparen bzw. auf mehrere Schultern zu verteilen.