Teil 21: Abpfiff
Innerhalb der Vorgaben, unter den Möglichkeiten
Fangen wir vorne an: Als Trainer, der weder die Liga noch die Mannschaft kannte, war ich zunächst dankbar für die vereinsseitige Zielvorgabe „Top 5 erreichen". Ein Ziel, das aufgrund der Vergangenheit und Qualität der Mannschaft auch für einen Neuling durchaus als realistisch einzuschätzen war. Nun, da wir die Saison als Viertplatzierte abschließen werden, könnte man meinen, dass das gleichzeitig vollumfängliche Zufriedenheit bedeutet. Doch nachdem ich die Liga und das Team ein Jahr lang kennenlernen durfte, bin ich der Meinung, dass durchaus mehr drin gewesen wäre. Vielleicht keine riesen Sprünge, aber deutlich näher dran am dritten Platz - wenn nicht sogar als Dritter - hätten wir die Saison schon beenden können.
In der Heimtabelle belegen wir diesen dritten Platz nämlich: Mit zehn Siegen und zwei Unentschieden sind wir bislang im eigenen Stadion ungeschlagen. Die einzige Heimniederlage mussten wir auf dem ungeliebten Kunstrasen hinnehmen – zählt also nicht. Und so konstant wir daheim auch ablieferten, so unkonstant war schließlich das Bild in der Fremde. Ich hätte mir vorher nie träumen lassen, dass es im Amateurbereich soetwas wie eine signifikante Auswärtsschwäche gibt, aber mit Platz 5 in der Auswärtstabelle bei lediglich 19 Punkten und einem Torverhältnis von -2 kann man wohl durchaus von einer solchen sprechen. 5 Siege, 4 Unentschieden und 5 Niederlage setzte es auf fremden Plätzen - eine Statistik, die es für uns so kein zweites Mal geben darf.
Schaffen wir es also in der nächsten Saison, dieses Problem in den Griff zu kriegen, sollten wir auf jeden Fall zu den Top 3-Teams der Liga gehören. Die Qualität dafür hat der Kader allemal und auch der sportliche Ehrgeiz stimmt. Wie schon das eine oder andere Mal im Blog angedeutet, hatten wir jedoch zu häufig mehr mit uns selbst zu kämpfen als mit dem Gegner. Viele der liegengebliebenen Punkte haben wir uns selbst durch Unkonzentriertheiten und mangelnde Konsequenz abgenommen. Für die kommende Spielzeit wird es also vor allem darum gehen, gemeinschaftlich ein ambitioniertes Ziel zu formulieren, dem sich alle bereit sind unterzuordnen und für dessen Erreichen alle auch den entsprechenden Einsatz liefern.
Vom Luxuskader zum Trümmerfeld
Wir sind mit einem Kader von 22 Feldspielerinnen plus drei Torhüterinnen in die Saison gestartet. Luxus! Jede Position doppelt, teilweise dreifach besetzt. Es herrschte ein großer interner Konkurrenzkampf, der für maximale Intensität im Training sorgte. So war es Anfangs stets von Woche zu Woche ein beinahe herzzerreißend, wenn der Spieltagskader und die Startelf bestimmt werden mussten. Doch wie eingangs erwähnt, war die Saison lang und kräftezehrend – die erste volle Spielzeit nach zwei Jahren. Und das bekamen wir bei Wintereinbruch stark zu spüren: Coronaerkrankungen, Muskelverletzungen und Bänderrisse dünnten den Kader nach und nach so weit aus, dass wir teilweise selbst mit Unterstützung aus der 2. Mannschaft keine 15 einsatzfähigen Spielerinnen aufbieten konnten.
Umso glücklicher waren wir dann, als es endlich Mitte Dezember in die Pause ging. Zeit, runter zu fahren, Wunden zu lecken und Kraft für die Rückrunde zu tanken. Der Start in die Wintervorbereitung war vielversprechend. Nahezu alle Spielerinnen waren wieder fit und machten sofort einen spritzigen Eindruck. Doch dann kamen die erste Skiurlaube, die Omikron-Welle und weitere schwerwiegende Verletzungen hinzu. Spiele mussten abgesetzt werden und ein Rhythmus wollte sich nicht so wirklich einstellen. Entsprechend holprig und schwerfällig war der Start in die Rückrunde, glücklicherweise konnten wir mit vereinten Kräften den totalen Zusammenbruch verhindern. Dennoch gab es im Grunde kein Spiel, in dem wir Spielerinnen „über" hatten, die der 2. Mannschaft hätten helfen können. In der gesamten Rückrunde standen nur dreimal 15 einsatzfähige Spielerinnen zur Verfügung. Ein zugegeben Westfalenliga-unwürdiger Zustand.
Einerseits besteht natürlich die Hoffnung, dass dies ein Ausnahmezustand war. Andererseits will ich so eine Situation kein zweites Mal erleben müssen. Daher habe ich mich in den letzten Wochen und Monaten nach potenziellen Neuzugängen umgesehen, die als Soforthilfe die Qualität im Kader weiter anheben und als Perspektivspielerinnen in der Breite für Entlastung sorgen können. Ein wichtiger Baustein bei der Kaderplanung ist die Position der Torhüterin. Dort haben wir einen berufsbedingten Abgang zu verkraften und müssen in regelmäßigen Abständen auf unsere „Nummer 1" verzichten, die parallel das Tor der deutschen Futsal-Nationalmannschaft hütet. Als Neuzugang ist Verstärkung mit Zweit- und Regionalligaerfahrung vom FSV Hessen-Wetzlar zu verzeichnen. Darüber hinaus werden wir in der Vorbereitung Trainingsgäste für die Offensivabteilung begrüßen und freuen uns über den Aufstieg der U17 in die Regionalliga, aus der zeitnah wieder mehr Eigengewächse den Sprung zur Ersten Mannschaft schaffen sollen.
Fazit
Für mich war die Erfahrung Westfalenliga besonders: eine Herausforderung, der ich mich bewusst gestellt und an die ich gewisse Erwartungen hatte. Persönliche Weiterentwicklung spielte dabei eine ebenso große Rolle wie meine Fähigkeiten als Fußballtrainer auf höherem Niveau unter Beweis zu stellen. Wie erwartet haben mich das Team und die Liga vor Aufgaben gestellt, deren Bewältigung eine noch intensivere und tiefgehendere Auseinandersetzung gefordert haben. Somit lief die persönliche Weiterentwicklung von ganz alleine, während ich Woche zu Woche das Team bestmöglich weiterzuentwickeln versuchte.
Im von mir vorgegebenen Rahmen würde ich der Mannschaft durchaus eine Weiterentwicklung bescheinigen. Ein Großteil der Spielmuster und Prinzipien konnten unter den unterschiedlichsten Umständen erfolgreich umgesetzt werden und auch das „fluide" Spielsystem mit den sich stetig wandelnden und der Spielphase anpassenden Rollen ging mit der Zeit immer besser auf. Somit ist nach der ersten Saison ein Grundstein gelegt, auf dem in der kommenden Spielzeit aufgebaut werden kann. Es wird wichtig sein, die Prinzipien weiter zu vertiefen und die Spielerinnen dahin zu bekommen, dass sie eigenständig und intuitiv aus dem Spielgeschehen heraus Entscheidungen treffen.
So wollen wir nächste Saison noch konsequenter unseren eigenen Stil auf den Platz bringen und uns nicht mehr vom Gegner verunsichern lassen. Dazu werden wir eine typischerweise sechswöchige Vorbereitungszeit nutzen, in der neben der Festigung unserer Spielidentität auch die Präzisierung unseres Verhaltens bei Standards, die Verständigung auf ein gemeinsames Saisonziel und die Integration der Neuzugänge Hauptrollen spielen.
Das erste Jahr bei Wacker hat mir viel Spaß bereitet und tolle neue Menschen in mein Leben gebracht. Dieser Blog hat mir dabei geholfen, all die Eindrücke und Gedanken zu bündeln und zu ordnen. Ich hoffe, dass das Lesen einen Mehrwert und etwas Lust auf Frauenfußball gemacht hat. In diesem Sinne wünsche ich allen, die eine haben, eine schöne und erholsame Sommerpause, einen guten Start in die Vorbereitung und eine erfolgreiche Saison.
Aloha,
Felix