Teil 12: „Peak-Week"
Testspiele richtig einordnen
Für den ersten Test der Vorbereitung fuhren wir mit zahlenmäßig geschwächtem Kader nach Recklinghausen. Einem Gegner, der eine Klasse höher spielt, zuvor einen anderen Verbandsligisten mit 9:1 abfertigte und schon länger wieder im Training war als wir. Einem Gegner, der in der vorigen Spielzeit noch an der Aufstiegsrunde für die zweite Bundesliga teilnahm und einige Spielerinnen mit Erfahrung aus ebendieser im Kader hat. Die Vorzeichen hätten für unseren ersten Test also nicht wirklich schlechter stehen können und trotzdem wollten wir es uns nicht so einfach machen und schon vor dem Spiel nach Ausreden suchen. „Testspielergebnisse sind völlig egal" ist meiner Ansicht nach eine Lüge, der sich viele Trainer gerne bedienen, um besonders vor Tests gegen vermeintlich stärkere Gegner Druck vom Kessel zu nehmen. Aber was, wenn man dann doch überraschend gewinnen sollte? Ist der Sieg dann auch „völlig egal"? Natürlich nicht. „Seht das Spiel heute als Konditionseinheit" ist ein weiterer Satz, den ich in meiner Zeit als Spieler nur allzu häufig gehört habe. Aber was vermittelt man seiner Mannschaft damit? Dass man außer Laufen heute eh nichts zu tun haben wird? Dass der Gegner so viel besser ist, dass wir nur hinterherrennen können?
Mir persönlich reicht rennen und kämpfen nicht aus. Das macht schlicht keinen Spaß. Fußball ist sehr viel komplexer und so waren auch die Vorgaben für dieses Spiel eher darauf ausgelegt, möglichst wenig rennen und kämpfen zu müssen, sondern Kräfte zu sparen und im Kollektiv zu arbeiten. Wir machten also nochmal darauf aufmerksam, die Abstände auf und unterhalb der Ketten im Spiel gegen den Ball möglichst gering zu halten und die Spielfläche klein zu machen, wodurch die Laufstrecke entsprechend gering bleiben sollte. Auch mit dem Ball betonten wir vor allem das „so breit wie nötig", denn gerade nach Ballverlusten im Spielaufbau kann eine weniger breite Positionierung der ballfernen Außenverteidigerin Wunder wirken. Aus dieser kompakten, aber nicht in Abwehrpressing ausartenden Haltung, sollten es schließlich die Umschaltmomente sein, die uns in diesem Spiel gefährlich machen würden.
Nachdem wir die ersten Angriffe der stark aufspielenden Gegnerinnen mit etwas Glück und einer bestens aufgelegten Torhüterin unbeschadet überstanden hatten, fanden wir immer mehr zu unserem Spiel. Die vorgegebenen Linien wurden konsequent verteidigt und bei entsprechenden Auslösern sukzessive erhöht, sodass wir nach und nach auch tiefer in die gegnerische Hälfte vordringen konnten und zu höheren Ballgewinnen kamen. Nach einer halben Stunde brach unsere Acht dann schließlich nach einem solchen in den offensiven Halbraum durch und spielte einen herrlichen Steckpass hinter die Kette, den unsere rechte Außenstürmerin erlaufen konnte und unten rechts einschob. Nach dem Seitenwechsel gelang es uns an die gute Leistung anzuknüpfen und nach einem weiteren Ballgewinn im zentralen Mittelfeld noch mit 2:0 in Führung zu gehen. Recklinghausen hatte zwar mehr gefährliche Spielanteile und die deutlich größeren Tormöglichkeiten, blieb dabei allerdings glücklos, was sich schließlich in einem verschossenen Elfmeter zuspitzte. Erst in der Nachspielzeit, als eine Flanke der Außenstürmerin ab- und unsere Torhüterin beim Richtungswechsel auf dem matschigen Rasen ausrutschte, fiel der längst überfällige Treffer für die Gastgeberinnen.
Zusammenhänge von Training und Ermüdung
Im letzten Teil des Blogs ging es schon einmal kurz um die Probleme, die wir gegen Ende der Hinserie hatten. Aber wie kommt es überhaupt, dass Sportler, die ein halbes Jahr lang im Training sind, an einem bestimmten Punkt nicht mehr besser, sondern eher schwächer performen? Grund dafür ist schlicht und ergreifend die Ermüdung, die sich über fortdauernde Trainingszyklen aufstaut und letztendlich limitierend wirkt. Der Körper benötigt Ruhephasen, um Anpassungsprozesse durchführen zu können und aus dieser Pause gestärkt hervorzutreten. Diesem Prinzip folgt auch die Peak-Week, die wir bei uns für die Mitte der Vorbereitungsphase anberaumt haben.
So starteten wir trotz des enorm kräftezehrenden Tests gegen den 1. FFC Recklinghausen mit hoher Intensität in die anstehende Trainingswoche. Der Gedanke dabei: Ermüdung durch Belastung gezielt „aufstauen" und nach der Peak-Week nach und nach abbauen, um zu Beginn der Rückrunde die Regenerations- und Adaptationsprozesse vollständig abgeschlossen zu haben. So ließen wir in die Dienstagseinheit Kraftelemente und Läufe mit Intervallcharakter einfließen, ehe wir in mittleren Spielen einen fußballspezifischen Ausdauerreiz setzten. Am Donnerstag konzentrierten wir uns dann vermehrt auf die Ausdauerschulung in Spielformen und setzten für den Freitag eine „aktive Regenerationseinheit" an, um für den anstehenden Test am Samstag gegen den nächsten Regionalligisten aus Burg-Gretesch einigermaßen frisch zu sein. In der darauf folgenden Woche wird die Belastung dann schließlich Stück für Stück in ihrer Intensität wieder auf das Niveau heruntergesteuert, das wir auch während der laufenden Saison halten können.
Schon gewusst?
Unter einer „Peak-Week" versteht man im Regelfall die letzte Vorbereitungswoche vor einem Wettkampf. Da es jedoch auch Sportarten gibt, in denen es nicht an einem Wettkampftag um alles geht, sondern in denen die Athleten auf eine ganze Wettkampfserie vorbereitet sein müssen - wie beim Fußball - kann die Peak-Week einer Vorbereitung auch zu einem früheren Zeitpunkt stattfinden. Dann geht man von einer längeren Regenerations- und Adaptationsphase aus, die schließlich zum Start der Wettkampfserie abgeschlossen sein sollte.