Vom Talent zum Elitespieler: ein seltenes Ereignis
Die technomotorische Leistungsdiagnostik im DFB-
Talentförderprogramm ist ein Instrument, mit dem Poten-
ziale bei begabten Nachwuchsspielern eingeordnet und
ggf. Verbesserungsbedarf identifiziert werden kann. Die
Leistungs- und Entwicklungsdaten dieser Talente können
zudem für eine grobe Prognose des weiteren Karriere-
verlaufs genutzt werden.
Die Talentprognose ist allerdings äußerst komplex und mit
vielen Problemen verbunden. Sie liefert keine unumstöß-
lich gültigen Vorhersagen, kann aber anhand statistischer
Daten der Diagnostik Wahrscheinlichkeiten abbilden. Eine
Einordnung dieser Prognosewahrscheinlichkeiten ist nur
vor dem Hintergrund der vierstufigen Förderstruktur der
Talententwicklung im DFB möglich (Schott, 2010):
Stufe 1: Basisförderung ¬ Verein
Stufe 2: Talentförderung ¬ Landesverbände (LV)/Leis-
tungszentren (LZ)/DFB-Talentförderprogramm (STP)
Stufe 3: Eliteförderung ¬ U-Nationalmannschaften
(
DFB)/Leistungszentren (LZ)
Stufe 4: Spitzenfußball ¬ Bundesliga (DFL)
Prognosewahrscheinlichkeiten im Fußball können je-
weils nur sehr gering sein, da in Deutschland die Chance
statistisch gesehen – sehr klein ist, dass z. B. ein belie-
biger U12-Spieler später einmal die Stufen 3 oder 4
erreicht, also z. B. mit der Juniorennationalmannschaft
bei der FIFA U17-WM spielt oder als erwachsener Spieler
in der 1. Bundesliga zum Einsatz kommt.
Dies lässt sich auf Basis vereinfachender Annahmen
rechnerisch grob nachzeichnen: Aus einem Jahrgang
mit ca. 150.000 U12-Vereinsspielern (Stufe 1) werden
jedes Jahr ca. 5.800 Spieler für das DFB-Talentförder-
programm (Stufe 2) gesichtet. Diese trainieren dann
entweder an einem DFB-Stützpunkt (ca. 5.000 Spieler)
oder im Leistungszentrum eines Proficlubs (ca. 800
Spieler). Auch wenn 5.800 Spieler bereits eine beein-
druckend große Zahl sind, entspricht dies einer recht
elitären Auswahl: Auf Basis der angeführten Zahlen wer-
den nur ca. 4% der U12-Vereinsspieler für die Stufe 2
gesichtet, d. h., die rein statistische Chance für den
Übergang von Stufe 1 zu Stufe 2 beträgt ca. 1:25.
Weiter nach oben wird dann die „Luft noch dünner“. Von
den 5.800 Spielern der Stufe 2 eines U12-Jahrgangs
schaffen es rund fünf Jahre später – über die Auswahl-
mannschaften der Landesverbände – nur 21 Spieler in den
Kader der DFB-Juniorennationalmannschaft für die FIFA
U17-WM (Stufe 3). Dies entspricht nur noch einer „Chan-
ce“ von ca. 1:7.000 für Spieler der Stufe 1 bzw. von ca.
1:275
für die bereits gesichteten Spieler der Stufe 2 (im
Folgenden wird die Stufe 4 vernachlässigt; die statistische
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NACHWUCHSFÖRDERUNG
Die technomotorische Leistungsdiagnostik im DFB-Talentförderprogramm ermöglicht mit ihren spezifischen
Tests einen objektiven Vergleich der Talente an den DFB-Stützpunkten. Sie dient als Indikator für Stärken
und Schwächen der Spieler, wodurch sich deren Förderung optimieren lässt. Halbjährliche Testwiederholun-
gen über einen längeren Zeitraum zeigen zudem die Entwicklung der Talente auf. Wissenschaftliche Maße
hinsichtlich der Prognoserelevanz der Tests belegen, dass sich bezogen auf einen nachfolgenden Zeitraum
von drei Jahren sagen lässt, wer am Ende mit größerer Wahrscheinlichkeit bessere Perspektiven für eine
Fußballkarriere aufweist. Im Sinne eines Screening-Verfahrens kann die Diagnostik eine geeignete Entschei-
dungshilfe für Fördermaßnahmen von Vereinen und Verbänden bieten. Die technomotorische Leistungs-
diagnostik bietet damit – ergänzend zum kompetenten (und keinesfalls verzichtbaren!) Trainerurteil – eine
Unterstützung der Trainingssteuerung und eine Entscheidungshilfe für die Talentauswahl.
Talentprognose: Ergebnisse zur
technomotorischen Leistungsdiagnostik
im DFB-Talentförderprogramm
Prof. Dr. phil. Oliver Höner, Universität Tübingen