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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 4 / 2 0 1 4
Analyse
W
enn Tore fallen, freuen sich
die Spieler der einen Mann-
schaft – und die der anderen
ärgern sich. Diese Erkenntnis ist
so alt wie das Fußballspiel selbst.
Der Jubel drückt sich heutzutage
auf die verschiedensten Weisen
aus: Herzen aus Fingern werden
geformt, Veitstänze mit dem
Verweis auf den eigenen Namen
aufgeführt, Trikots vom Körper
gerissen und weggeschleudert
oder Spielertrauben auf dem
Rasen gebildet, wobei man
manchmal um die Unversehrt-
heit des Torschützen fürchten
muss.
Der Ärger sucht sich andere Ven-
tile: Abseits wird reklamiert mit
einem verzweifelten Blick zum
Schiedsrichter-Assistenten, Fuß
oder Faust landen am Pfosten,
mancher Spieler starrt nur resig-
niert zu Boden.
Der Schiedsrichter, der sich nach
der Anerkennung des Tores rück-
wärts laufend Richtung Mittellinie
begibt, und seine Assistenten
behalten in solchen Momenten
möglichst alle Emotions-Ausbrü-
che auf und neben dem Spielfeld
im Blick.
So war es auch im Spiel
SV Sand-
hausen gegen Fortuna Düsseldorf
(31.
Spieltag)
.
Nach dem 2:0 für die Düsseldorfer
sucht sich der Frust von Torwart
Manuel Riemann allerdings einen
besonderen Weg. Zunächst stößt er
seinen Mitspieler Seyi Olajengbesi
mit beiden Händen zweimal in den
Rücken
(
Foto 1a)
,
daraufhin dreht
dieser sich um und stößt den Tor-
wart zuerst gegen die Brust, dann
auch mit beiden Händen in Rich-
tung Hals.
Obwohl anschließend die Mitspieler
schlichtend eingreifen, kommt es
erneut zu einem Wortgefecht zwi-
schen den beiden Kontrahenten, in
dessen Verlauf Olajengbesi seinem
Torwart mit der Hand derart wuch-
tig ins Gesicht langt, dass dies einer
Ohrfeige nahekommt
(
Foto 1b)
.
Übertriebene Härte oder Gewalt
gegen eigene Mitspieler“ gelten
auch als Tätlichkeit – so steht es in
Regel 12. Ganz sicher trifft das auf
den Spieler Olajengbesi zu. Dieser
hätte „Rot“ sehen müssen. Aber
auch der Torhüter hätte für seine
aggressive Provokation mindestens
Gelb“ sehen müssen.
***
Um eine Tätlichkeit anderer Art
oder – besser ausgedrückt – um
keine Tätlichkeit, sondern um die
Simulation einer solchen, ging es
im Spiel
FSV Frankfurt gegen
Energie Cottbus
,
das am
32.
Spiel-
tag
stattfand.
Der Cottbuser Sven Michel und
Odise Roshi (FSV) geraten nach
einer Spielunterbrechung aneinan-
der. Dabei stößt zunächst Roshi
seinen Gegner leicht vor die Brust.
Anschließend kommen sich beide
mit den Köpfen näher. Der Frank-
furter neigt seinen Kopf etwas in
Richtung des Gegners. Es bleibt
jedoch ein Zwischenraum erkenn-
bar, sodass es nicht zum Kontakt
der Köpfe kommt
(
Foto 2a)
.
Der
Cottbuser stürzt dennoch theatra-
lisch zu Boden
(
Foto 2b)
.
Auf Mel-
dung des Assistenten sieht Roshi
die Rote Karte.
Eine überzogene Entscheidung,
Gelb“ für beide Spieler wäre hier
angebracht gewesen: für den
Frankfurter wegen der Provokation
und den leichten Stoß mit dem
Eine ganz
besondere
Tätlichkeit
Mit der Analyse von neun Szenen aus dem Profi-
fußball blicken Lutz Michael Fröhlich und Lutz
Lüttig auf die letzten Spieltage der vergangenen
Saison zurück. Am Anfang steht eine Situation,
die relativ selten ist, aber unbedingt in das Erwar-
tungs-Repertoire eines Schiedsrichters gehört.
Wütend stößt Sandhausens Torwart Riemann seinen Mitspie-
ler Olajengbesi mit beiden Händen weg.
Olajengbesi revanchiert sich mit einem kräftigen „Hand-
schlag“ an Riemanns Hals.
Foto 1a
Foto 1b