Wales im Fußball-Aufschwung
In den Ligen getrennt, im Herzen vereint!
Eine Besonderheit der walisischen Fußballlandschaft ist, das nicht alle hiesigen Vereine in der heimischen Liga, der JD Cymru Premier, spielen. Die bekanntesten Beispiele sind Cardiff City und Swansea City, die mehr oder weniger regelmäßig in der höchsten englischen Spielklasse vorzufinden sind. Auch der eine oder andere Amateurverein ist in den unterklassigen Ligen Englands gemeldet. Heutzutage ist es der finanzielle Vorteil, im englischen Ligensystem zu spielen, doch früher hatte die Trennung geographische Gründe. Es war einfacher, nach Osten bzw. Westen zu reisen als von Norden nach Süden. Erst 1992 wurde die Welsh Premier League gegründet, die sich mittlerweile aus 12 Teams zusammensetzt. Unter ihr gibt es drei mehrgleisige regionale Ligen. Eine eigene Liga hat für das walisische Nationalempfinden durchaus einen hohen Wert, die Rivalität zum „großen Bruder“ England im Vier-Nationen-Gebilde UK ist allgegenwärtig. Die Bewahrung einer eigenen Identität (Sprache und Kultur) spielt im Alltag eine große Rolle, und der Fußball trägt seinen Teil dazu bei. Die Welsh Premier League wird in der (keltischen) Landessprache live im TV übertragen und hat einen festen Platz in der Sportlandschaft.
In der relativ „jungen“ Liga sind auch durch das Fehlen der großen Teams aus Cardiff und Swansea sowohl Amateur- als auch Profivereine anzutreffen. The New Saints, eine Mannschaft nahe der englisch-walisischen Grenze, darf sich mit 13 Titeln Rekordmeister nennen. In den vergangenen Jahren haben es die Connah’s Quay Nomads geschafft, diese Dominanz zu durchbrechen, und auch in den Playoffs für die europäischen Wettbewerbe passable Leistungen abgeliefert. Auf sich aufmerksam gemacht hat in den letzten Jahren der Cardiff Metropolitan University FC, auch wenn der Name etwas in die Irre führt und es sich nicht um einen klassischen Universitätsfußballverein handelt. Die ungleichen finanziellen Ausgangsvoraussetzungen innerhalb einer Liga sind auf der einen Seite frustrierend. Auf der anderen Seite spornt es die Vereine an, auf das Niveau der Konkurrenten zu kommen, was sich im Ligaalltag in sehr umkämpften Spielen niederschlägt.
Der „Welsh-Way“
Die geographische Lage entzweit nicht nur die Vereine des Landes. Die Westküste der britischen Insel liegt direkt am Golfstrom, sodass Wind und Wetter auf das Land einprasseln. Das führte in der Vergangenheit des Öfteren zu Trainings- und Spielausfällen, da die Rasenplätze unspielbar waren. Hinzu kommt, dass Wales als strukturschwächste Region Großbritanniens gilt, was die Verbesserung der Trainingsanlagen zusätzlich erschwert. Seit zwei Jahren lässt sich jedoch eine Änderung der Situation beobachten: Unter anderem die FIFA hilft Wales unter der Bedingung, dass auch Investitionen in die Trainingsanlagen fließen. Zehn der zwölf Erstligisten besitzen Kunstrasenplätze, auf denen sie ganzjährig trainieren können. Doch auch die FAW (Football Association Wales) versucht durch verschiedenste Projekte in den Kommunen, den Fußball voranzutreiben. Ein besonderes Augenmerk gilt der Trainerausbildung. So ist es nur mit einer UEFA Pro-Lizenz möglich, als Manager zu arbeiten, egal, ob der Club als semiprofessionell oder professionell eingestuft wird.
Die Kooperation mit den in England spielenden Vereinen Cardiff und Swansea wurde in den vergangenen Jahren ausgebaut, damit junge Spieler dieser Klubs oftmals ihre ersten Erfahrungen im Seniorenfußball durch eine Ausleihe in der Welsh Premier League sammeln können. Die Zusammenarbeit erfolgt auch im Jugendbereich, wo sich die Akademie-Teams von Cardiff und Swansea regelmäßig mit denen der Welsh Premier League messen. Im Gegenzug erhalten talentierte Spieler die Chance, sich in den großen Akademien weiterzuentwickeln, um eines Tages in der höchsten englischen Spielklasse spielen zu können.
Den „Volkssport“ fördern
Die Aufwärtsentwicklung des walisischen Fußball ist unter anderem der professionellen Trainerausbildung zu verdanken, die sich in der täglichen Arbeit positiv auswirkt. So sind auf den modernisierten Trainingsgeländen mittlerweile ebenso innovative Übungen zu sehen. Die Vereine folgen einer einheitlichen Struktur, sind jedoch inhaltlich flexibel, sodass die Trainer die Einheiten auf ihre Mannschaften zuschneiden können. Fußball ist der Volkssport der Waliser, auch wenn viele Medien oftmals Rugby als populärste Sportart darstellen. Er weist nämlich deutlich höhere Mitgliederzahlen auf. Um diesen Stellenwert beizubehalten, vermitteln schon bei den Jüngsten gut ausgebildete Trainer den Spaß am Fußball. Der Grundstein wird durch die „Skill-Acquisition“ gelegt: Wales legt großen Wert auf die Vermittlung technischer Inhalte und spielerische Lösungen statt Hauruck-Fußball. Dennoch vergessen die Waliser ihre Wurzeln nicht und implementieren immer wieder athletische Inhalte in ihr Training. Die benötigen sie natürlich auch, um in den von der Physis geprägten Spielen der Welsh Premier League mithalten zu können.
Den gesamten Beitrag zum Fußball-Aufschwung in Wales mit Trainingspraxis, so wie viele weitere Inhalte aus dem internationalen Fußball findet ihr in der Ausgabe 5/21 von Fußballtraining.