Hans Meyer über Coaching, Trainingsinhalte und Nachwuchsausbildung
Coaching im Training
Hans Meyer verstand Coaching im Training nicht als Korrektur von Fehlern, sondern wies der positiven Verstärkung eine mindestens ebenso hohe Bedeutung zu: "Ich lobe viel und kritisiere viel. Aber die Spieler merken doch nach einiger Zeit selbst, ob sie einen Patzer gemacht haben. Daher kann ich das Spiel auch durchaus mal laufen lassen."
"Der Stellenwert des Coachings ist in Holland viel höher als hier. Ich hospitierte bei einem Trainer-Lehrgang, vergleichbar mit der hiesigen Fußball-Lehrer-Lizenz. Dort erhielt jeder Teilnehmer in der Prüfung eine ihm unbekannte Amateurmannschaft zugewiesen. Er hatte zehn Minuten Zeit, sie taktisch auf ein Spiel gegen das Team eines anderen Kandidaten vorzubereiten. Daraufhin musste er diese Mannschaft mittels eines Megaphons – und somit hörbar für alle Traineraspiranten – in einem 20-minütigen Spiel coachen und in einer anschließenden Besprechung mit den Prüfern seine Maßnahmen begründen."
Trainingsinhalte
Meyer zeigte sich als Verfechter komplexer Spielformen: "Was brauchst du zum Kopfballspiel? – Sprungkraft und Timing. Also wird Sprungkraft trainiert, bisweilen werden 20 Prozent einer Trainingseinheit dafür verwandt. Nach einigen Wochen oder Monaten springt der Spieler tatsächlich zwei Zentimeter höher. Wie viele Kopfbälle pro Spiel führt ein Spieler durchschnittlich aus? Fünf? Und bei wie vielen davon sind diese zwei Zentimeter spielentscheidend? Jetzt hat der arme Kerl also monatelang Sprungkraft trainiert. Hat er dabei auch das Timing erlernt? Oder noch deutlicher: Wäre es nicht sinnvoller, ihm durch Spielformen neben all den anderen Fähigkeiten auch den richtigen Laufweg zu vermitteln, um gar nicht so hoch springen zu müssen?"
Die Nachwuchsausbildung
Auch zum Nachwuchstraining hatte er eine klare Meinung: "Kindertraining soll kein Erwachsenentraining sein, und alles soll mit Ball durchgeführt werden. Zum Glück handeln die meisten Jugendtrainer nach diesem Leitspruch. Aber trotzdem lassen auch sie die Kinder zu häufig und zu lang isoliertes Slalomdribbling und Fintentraining machen. Das ist mit entsprechenden Korrekturen sicher sinnvoll, aber doch nicht während 75 Prozent der Trainingszeit! Warum nicht mit Technikübungen aufwärmen und dann Spielformen, Spielformen, Spielformen? Wir bedauern immer, dass es den Straßenfußball nicht mehr gibt. Dies sei ein Grund für die Krise des deutschen Fußballs, heißt es. Dabei gibt es ihn in anderen Ländern auch nicht mehr, und trotzdem sind uns diese Nationen überlegen. Ich meine auch nicht, dass unsere Spieler den Engländern, Franzosen und anderen technisch unterlegen sind! Aber: Die meisten deutschen Spieler haben nicht gelernt, die Technik unter höchstem Gegnerdruck und in jeder Spielsituation effektiv anzuwenden, den richtigen Pass im richtigen Moment zu spielen!"
Quelle: Dieser Beitrag erschien in der Mai-Ausgabe 2020 der Fachzeitschrift Fußballtraining.
Artikelserie „Es stand in Fußballtraining"
„Es stand in Fußballtraining" ist unsere Artikelserie, in der wir einen Blick zurück in 40 Jahre unserer Fachzeitschrift "Fußballtraining" wagen. Hier zeigen wir interessesante Inhalte, die auch heute aktuell sind, oder Taktiken und Trainingsformen, die einen "Meilenstein" des Fußballtrainings darstellen. Machmal sind die Inhalte aber auch "nur "wissenswert, unterhaltsam oder geben einen Einblick in die Ideen und Vorgehensweise damaliger Top-Trainer.