FT 4/24 Ergänzung: Bio-Banding in der Praxis
Der Bio-Banding-Tag: Individualisierung im Aufbaubereich des Effzeh
Zweikämpfe, bei denen man den Eindruck hat, dass sich ein Erwachsener mit einem Kind duelliert. Sprints, in denen ein körperlich Überlegener seinem Altersgenossen mit Leichtigkeit enteilt. Für Zuschauer von C-Jugend-Spielen ist das ein gewohnter Anblick und selbst bei D-Jugendlichen sieht man teilweise schon deutliche körperliche Entwicklungsunterschiede. Experten sprechen von bis zu fünf Jahren Differenz, die zwischen dem kalendarischen und dem biologischen Alter Pubertierender liegen können.
Wenngleich diese Diversität nicht grundsätzlich negativ zu bewerten ist, da sie die physisch Unterlegenen ggf. anspornt, sich gegen Widerstände durchzusetzen und kreative Lösungen zu finden, bleiben mit Blick auf das Lernumfeld dennoch viele Fragen offen: Welche und wie viele Ballaktionen hat ein Spieler, der physisch (noch) nicht mithalten kann? Was löst dauerhafte Überforderung bei Jugendlichen aus? Wie wirken sich regelmäßige Misserfolgserlebnisse auf die Selbstkonzeptentwicklung Heranwachsender aus? Können sich die körperlich Überlegenen sportlich optimal entwickeln, wenn sie sich stets auf ihren physischen Vorteil verlassen können und selten kreative und technisch anspruchsvolle Lösungen finden müssen?
Die zu erwartenden Antworten legen nahe, dass es Sinn ergibt, hin und wieder auch unter ausgewogeneren Bedingungen zu trainieren und zu spielen. Dieser Ansatz scheint auch vor dem Hintergrund der Talenterkennung und Talentrekrutierung vielversprechend, da sich Leistungspotenzial und Entwicklungsperspektive eines Jugendlichen sicherlich deutlich differenzierter einschätzen lassen, wenn man ihn mit Spielern eines ähnlichen biologischen Reifegrades vergleicht. Dadurch könnte man dem Phänomen entgegenwirken, dass oft überwiegend Frühgeborene und Frühentwickelte gefördert werden, während retardierte Talente teilweise auf der Strecke bleiben.
Ausgehend von diesen Überlegungen hat man sich beim 1. FC Köln dazu entschieden, in den Altersstufen U13 bis U15 einen „Bio-Banding-Tag“ pro Woche einzuführen, an dem die Spieler gemäß ihrer biologischen Reife den Trainingsgruppen zugeteilt werden. Während im ersten Teil der Einheit noch die athletischen Schwerpunkte im Vordergrund stehen und entwicklungsgerecht vermittelt werden, wird anschließend viel Wert auf freie fußballerische Entfaltung in einfach zu organisierenden Spielformen gelegt.
Gruppeneinteilung nach Entwicklungsstufe
P1: Spätentwickler
- besteht überwiegend aus Akteuren der U13
- wird durch vier Spieler aus der U14 komplettiert
- Talente, die am weitesten vom Einsetzen des Längenwachstums entfernt sind
- spielerisches Bewegungslernen und Stabilisieren durch bspw. Seilspringen, Ausfallschritte etc.
P2: Wachstumsschub
- Kerngruppe kommt aus der U14
- wird von Spielern der U13 und U15 ergänzt
- Spieler dieser Gruppe befinden sich mitten im Wachstumsschub
- körperliche Unterschiede sind dennoch geringfügig
- fußballspezifische Bewegungsvariation des Erlernten in P1
P3: Frühentwickler
- besteht überwiegend aus Spielern der U15
- wird um zwei Spieler aus der U14 ergänzt
- Spieler dieser Gruppe sind am weitesten in ihrer biologischen Entwicklung
- behutsame Gewöhnung an funktionelles Krafttraining, das nun auch mit leichtem Zusatzgewicht durchgeführt wird
Grupe P1: Pre-Peak Height Velocity
Diese Gruppe zeichnet sich durch eine hohe Lernbereitschaft aus. Obwohl die physischen und mentalen Anforderungen hoch sind, lernen die Jungs ungemein schnell. Das zeigt sich unter anderem daran, dass Korrekturen oder Hinweise zügig umgesetzt werden. Diese Fortschritte sind aber auch von großer Wichtigkeit, da die Jungs irgendwann den Schritt in die nächste Gruppe machen müssen. Wir bringen den Spielern dieser Gruppe bestimmte Bewegungabläufe bei. Sie sollen lernen, Bewegungen sicher auszuführen, die sie später im Spiel benötigen. Dabei spielen verschiedene Faktoren wie Kraft und Stabilität eine Rolle. Zunächst haben wir mit einfachen Übungen, wie beispielsweise dem Seilspringen, begonnen. Zur Zeit arbeiten wir viel mit Ausfallschritten, da diese sehr vielfältig sein können. Hinsichtlich der Belastung müssen wir natürlich das Wachstum im Blick behalten, da hier Gelenke und Sehnen oft unterschiedlich stark beansprucht werden und eine gewisse Zeit brauchen, um sich an die höhere Belastung zu gewöhnen.
5-gegen-5-Turnier
Organisation
- Ein 30 x 18 Meter großes Feld mit 2 Toren markieren.
- 3 Fünfer-Teams mit festen Torhütern bilden.
Ablauf
- Turnier jeder gegen jeden
- Spieldauer: 2 x 6 Minuten mit einer Trinkpause von 3 Minuten
- Die spielfreie Mannschaft absolviert Übungen mit technischen Schwerpunkten (nicht abgebildet).
- Ein Sieg zählt 3 Punkte, ein Unentschieden 1 Punkt.
- Welches Team holt in 2 Partien die meisten Punkte?
Hinweis
- Durch Verkleinerung des Feldes lassen sich mehr direkte Duelle provozieren.
In der Regel lasse ich frei spielen und greife nur ein, wenn Dinge nicht so funktionieren, wie wir uns das vorstellen. Wir verfolgen keinen Schwerpunkt während des freien Spiels, zumal wir ja auch unterschiedliche Mannschaften haben und da unterscheiden sich die Schwerpunkte innerhalb des Sieben-Wochenplans. Hier geht es also mehr um das „Zocken“ und darum, sich frei austoben zu können.
Gruppe P2: Peak Height Velocity
Hier stehen Bewegungsvariationen im Mittelpunkt. Dadurch wollen wir eine verlässliche Bewegungsqualität gewährleisten. Die Inhalte aus der Pre-PHV-Gruppe werden aufgegriffen und um einige Abläufe erweitert. So trainieren wir viele verschiedene fußballspezifische Bewegungen, wie zum Beispiel das Springen oder auch das Landen. Mitunter arbeiten wir hier auch schon mal mit kleinen Gewichten, aber vorrangig noch viel im Spielerischen. Auch wenn sich der Körper relativ schnell an die Anforderungen gewöhnt, müssen wir dennoch behutsam vorgehen, da sich die Gelenke in der Wachstumsphase ständig anpassen. Insofern kann es schon mal vorkommen, dass wir einzelne Spieler aus dem Training rausnehmen müssen, wenn sie Schmerzen bei bestimmten Übungen empfinden.
Nach dem Athletikteil soll es darum gehen, dass die Jungs wie auf dem Bolzplatz kicken können. Lediglich während der Trinkpausen coachen wir etwas mehr. Diesmal trainieren wir auf zwei Feldern: 6 gegen 6 auf Großtore und 4 plus 1 gegen 4 auf Minitore. Bei der Zusammensetzung der Mannschaften achten wir darauf, dass jedes Team ungefähr über die gleiche Anzahl an Altjahrgängen verfügt.
Gruppe 3: Post-Peak Height Velocity
Bei den am weitesten entwickelten Spielern legen wir den Fokus auf das Lernen funktioneller Bewegungen und greifen in diesem Zusammenhang auch auf Zusatzbelastungen zurück. Darüber hinaus zielen wir darauf ab, durch gezieltes Muskeltraining Verletzungen vorzubeugen. Hier trainieren wir vor allem fußballspezifische Muskeln wie den hinteren Oberschenkel oder ganz allgemein die Beinkraft in einem höheren Umfang. Generell legen wir für die Arbeit mit dieser Gruppe verschiedene Schwerpunkte fest, die wir alle vier Wochen anpassen. Dabei geht es uns auch darum, die Jungs auf die kommenden Altersklassen vorzubereiten, in denen das Krafttraining schließlich ein fester Bestandteil des Trainingsplans ist.
Während wir im normalen Mannschaftstraining mehr auf taktische Inhalte achten und entsprechend coachen, steht hier das Spielen im Vordergrund.