„Eine Futsal-Bundesliga wäre ein wichtiger Schritt!“
Wie haben Sie den Futsal in Deutschland angetroffen?
In Deutschland arbeiten viele Menschen mit hohem Engagement für den Futsal, aber es fehlt an einer ganz klaren Struktur. Ich habe hier eine Situation vorgefunden, die von großen Unterschieden geprägt ist. Zwar zeigen die besten Teams bereits hochklassige Spiele, aber besonders im taktischen und technischen Bereich ist noch viel Luft nach oben.
Was zeichnet den Futsal in diesem Land aus?
In den Vereinen arbeiten viele Menschen ehrenamtlich mit unglaublich viel Motivation und Engagement. Das ist eine hervorragende Basis. Aber um sich wirklich signifikant weiterentwickeln zu können, bedarf es noch einiger Veränderung. Eine überregionale Liga, eine Bundesliga, wäre ein ganz wichtiger Schritt für Deutschland. Erste Gespräche sind geführt, aber der klare Wille hierzu muss eigentlich von den Vereinen ausgehen.
Der Futsal hat sich in den letzten Jahren immer mehr anstelle des früheren Hallenfußballs etabliert. Es gibt Stimmen, dass er diese Position vollständig einnehmen soll. Wie stehen Sie zu dieser Frage?
Ohne den Hallenfußball abwerten zu wollen, stehe ich dieser Entwicklung natürlich positiv gegenüber. Futsal ist meine Leidenschaft und unterscheidet sich stark vom Hallenfußball. Nicht nur hinsichtlich Ball, Raum und Geschwindigkeit! Die Spieler werden mit ganz anderen Situationen konfrontiert. Ich würde mir wünschen, dass die angesprochene Entwicklung beibehalten wird, um junge Spieler an den Sport heranzuführen.
Was können sich Fußballer konkret beim Futsal abschauen?
Unsere Trainingseinheiten bringen alles mit: Dynamik, Geschwindigkeit, Technik, Spielverständnis, Variabilität, 1 gegen 1. Die einzelnen Komponenten sind ja auch im Fußball von Bedeutung. Besonders für junge Spieler besteht klar die Möglichkeit, durch Futsal auch zu besseren Fußballern zu werden. Nicht umsonst tendieren viele Länder dazu, den Nachwuchsfußball hinsichtlich Feldgröße und Spieleranzahl zu vereinfachen.
Gerade in Bezug auf taktische Abläufe stehen sich Begriffe wie ‚Spieldisziplin’ und ‚Kreativität’ ein wenig gegenüber. Der komplette Spieler vereint natürlich beides, aber welche der beiden Fähigkeiten ist im Futsal besonders gefragt?
Auch im Futsal, wo sich im Gegensatz zum Fußball jeweils nur fünf Spieler gegenüberstehen, hat der Trainer eine Spielphilosophie, und dementsprechend legt er auch Wert auf Grundordnungen, Positionsaufgaben und Abläufe. Jeder Spieler sollte wissen, wie man sich als Mannschaft im jeweiligen Kontext zu verhalten hat. Da der Gegner aber seinerseits in der Lage ist, flexibel auf bestimmte Situationen zu reagieren, haben Kreativität und Spielverständnis eine herausgehobene Stellung. Sie sind das Allerwichtigste.
Trainer haben oftmals ihre eigene Spielphilosophie und arbeiten an entsprechenden Abläufen. Wie lassen sich diese dann so ins Spiel übertragen, dass die Spieler in der Lage sind, auch unter höchstem Gegnerdruck die richtigen Entscheidungen zu treffen?
Die Rotationen und die Abläufe einzustudieren, ist für den Trainer relativ einfach. Diese bilden jedoch nur das »Gelände«, auf dem sich die Spieler bewegen. Um das Spielverständnis zu fördern, nutze ich »Small-Sided-Games« (Anm. d. Red.: Kleinfeldspiele). Dabei kommen auf reduziertem Raum Spielformen im 2 gegen 2, 3 gegen 3 und 4 gegen 4 zur Durchführung. In diesen kleinen Räumen herrscht viel Druck, was die Spieler dazu zwingt, sich schnell für eine Aktion zu entscheiden und ihre Mitspieler zu unterstützen. Und darüber hinaus greife ich auf Gespräche zurück. Dabei geht es mir um den Austausch von Meinungen, mit dem Hintergrund, die Gründe für eine bestimmte Entscheidung in Erfahrung zu bringen und die Spieler zum Mitdenken anzuregen.
Eine Vielzahl Ihrer Spieler kommt ursprünglich aus dem Fußball. Gibt es hier keine Probleme hinsichtlich der veränderten Balltechnik? Wie gewöhnen sich die Spieler z. B. an die Ballführung mit der Sohle oder den Torabschluss mit der Picke?
Durch Spielen und viel Trainieren. Die Umstellung fällt älteren Spielern naturgemäß schwerer, während sich junge Spieler viel leichter an die Besonderheiten des Futsals gewöhnen. Hier spielt das differenzielle Lernen eine große Rolle.
Im Nachwuchsbereich von Ajax Amsterdam und Feyenoord Rotterdam ist Futsal mittlerweile eine Selbstverständlichkeit geworden.
Ist das ein klares Plädoyer für die Aufnahme von Futsal in das Kinder- und Jugendtraining? Wie könnte das aussehen?
Ich bin der Meinung, Futsal wäre hier eine gute Ergänzung. Ich könnte mir vorstellen, dass man auch in den Leistungszentren der Profivereine Futsal als regelmäßigen Bestandteil in die Trainingsplanung aufnimmt. Dabei ist es aber auch notwendig, dass ein Futsal-Experte das Training leitet, der die Spieler auf die richtige Art und Weise trainiert. Dazu gehören schließlich alle Coaching-Punkte, die im Futsal von Bedeutung sind: Ein richtiges Timing, die Position, Geschwindigkeit usw. Im Nachwuchsbereich von Ajax Amsterdam und Feyenoord Rotterdam ist das mittlerweile eine Selbstverständlichkeit geworden. Auch viele brasilianische und spanische Fußballspieler haben in jungen Jahren mit Futsal begonnen. Und sie setzen bekanntlich Maßstäbe in Sachen Ballbehandlung, Spielverständnis, Beidfüßigkeit und 1 gegen 1.
Um das angestrebte Niveau auch in Deutschland zu erreichen, müsste man sicher auch noch einige bestehende Vorurteile entkräften. Etwa, dass sich die Futsal-Nationalmannschaft in erster Linie aus Spielern zusammensetzt, die im Fußball den Durchbruch nicht geschafft haben. Wie stehen Sie zu diesen Vorurteilen?
Wahrscheinlich haben manche Ex-Fußballer wirklich leichte Vorteile, gerade hinsichtlich der Technik. Trotzdem ist es ein weiter Weg vom Fußballer zum Futsaler. Es benötigt seine Zeit, bis die Futsal-Elemente verinnerlicht sind. Sind die von Ihnen angesprochenen Vorurteile also berechtigt? Das lässt sich nicht verallgemeinern. Für den Futsal in Deutschland wäre es das Beste, wenn sich die Spieler auf Futsal konzentrieren und zu Futsal-Spezialisten entwickeln.
Andere Nationen setzen sich vornehmlich aus professionellen Spielern zusammen. Schauen Ihre Spieler zu solchen Mannschaften noch auf?
Wir müssen natürlich Respekt für unsere Gegner aufbringen, aber wir sollten keine Angst haben. Natürlich ist es keine leichte Aufgabe, gegen Profimannschaften anzutreten. So weit sind wir noch nicht. Ich arbeite zum größten Teil mit Jungs, die berufstätig sind oder sich in der Ausbildung befinden. Trotzdem lässt sich feststellen, dass bereits viel in Bewegung ist, und ich bin sehr hoffnungsvoll, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Wie sehen die nächsten Schritte aus?
Der erste Schritt muss wie gesagt auf Vereinsebene geschehen. Die starken Vereine müssen sagen: »Wir wollen Futsal-Profivereine sein!« Der DFB hat da zunächst einmal eher eine regulierende Funktion. Wir standen bereits konkret mit den Vereinen in Kontakt und es gab viele positive Reaktionen. Doch inwieweit die Vereine bereits für einen solchen Schritt bereit sind, vermag ich noch nicht endgültig einzuschätzen. Ein solcher Schritt bedarf auf jeden Fall einer umfassenden Planung. Schließlich kann man nur einmal anfangen! Da ist es besser, sich etwas mehr Zeit zu nehmen, als irgendwelche Dinge über das Knie zu brechen.
Wie weit ist der Weg, bis Deutschland realistische Chancen auf einen Titelgewinn im Futsal hat? Welche strukturellen Voraussetzungen wären bis dahin zu schaffen?
Natürlich ist es wichtig, sich hohe Ziele zu setzen, aber man muss dabei auch immer realistisch bleiben. Die Top-Nationen im Futsal betreiben diesen Sport bereits seit 30, 40 Jahren. Diesen Vorsprung aufzuholen, wird nicht einfach. Daher sollte ein Titelgewinn gegenwärtig auch nicht unbedingt die Zielsetzung sein. In erster Linie muss es darum gehen, eine professionelle Umgebung zu schaffen. Das beinhaltet eine professionelle Struktur der Vereine, die Organisation einer bundesweiten Liga und die Intensivierung der Zusammenarbeit.
Quelle: Dieser Beitrag erschien in der Dezember-Ausgabe 2018 der Fachzeitschrift Fußballtraining.